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Elterntaxis in der Rushhour

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Von: Judith Seipel

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_10_min_in_oberhessen © pv

Auto um Auto biegt ein in den Oechlerweg. 30 Fahrzeuge innerhalb weniger Minuten. Es ist Rushhour. Parade der Elterntaxis. In einer Viertelstunde beginnt der Unterricht in der Erlenbachschule und der benachbarten Gesamtschule und alle, die jetzt in die schmale Anliegerstraße fahren, haben ein Anliegen, nämlich den Sohn, die Tochter möglichst sicher - was offensichtlich gleichbedeutend ist mit möglichst nah und motorisiert - zur Schule zu bringen.

Weswegen man den Nachwuchs auch »Generation Rücksitz« nennt. Dabei sitzen nicht wenige Kinder neben Mutti oder Vati auf dem Beifahrersitz. Und weil es beim Aussteigen schnell gehen soll, sind sie nicht angeschnallt. Ganz Schlaue haben schon den Ranzen auf dem Rücken.

Die Schul-Rushhour bedeutet auch für Fußgänger eine nicht unerhebliche Gefährdung. Konzentriert schiebt eine Mutter vier kleine Mädchen an den Fahrzeugen vorbei. Sie könnte in diesem Moment gewiss mehr Augen und Hände gebrauchen. Um die Straße zu überqueren, muss sie alle Sinne beisammen haben. Immerhin hat sie weit entfernt vorschriftsmäßig geparkt.

Ganz anders der Mann, der gerade einem pausbäckigen Jungen die Mercedestür offenhält. Schwer zu sagen, ob er der Vater oder der Großvater des Buben ist. Jedenfalls hat er den besten Platz erwischt: direkt vor der Pforte zum Schulhof, so dass der kleine Prinz, dem sein Chauffeur zum Abschied übers volle Haar streicht, nur noch wenige Schritte hat. Dem Mann ist bewusst, dass er sich mit seinem im Einmündungsbereich der Kreuzung abgestellten Auto nicht an die Verkehrsregeln hält, denn als er die Beobachterin der Szene mit Block und Stift entdeckt, poltert er los: »Wieso schreiben Sie uns auf? Was soll das?« Trotzdem findet er noch Zeit für ein Schwätzchen mit anderen Elterntaxifahrerinnen, die sich in der Straße tummeln. Denn so mache Mama mag ihren Sprössling gar nicht aus den Augen lassen und schaut ihm - winke, winke - noch lange nach, während der zu seiner Klasse trottet.

Kaum ist der Mercedes weg, rollt ein Audi, sehr schick, sehr teuer, auf den Platz, der gar kein Halteplatz ist. Der Fahrer hat’s eilig. Bei laufendem Motor holt er einen Schulranzen aus dem Kofferraum, zieht ihn dem kleinen Steppke vom Rücksitz auf - »Tschüss!« - und fährt weiter. Schon nach hundert Metern der nächste Stopp. Neben der Grundschule ist der Kindergarten »Arche Noah«. Dort lädt der junge Mann einen noch kleineren Steppke aus dem Auto und begleitet ihn zur Kita. Weil der Mann offensichtlich kurze Fußwege schätzt, hat er nahe beim Eingang geparkt. Aus Platzgründen ragt das Heck der Limousine ein wenig in die Fahrbahn. Das Müllauto, das sich vor drei Minuten ebenfalls durch die Straße geschoben hat, käme jetzt nicht mehr durch.

Dann wird’s ruhiger im Oechlerweg - bis in vier Stunden die Hol-Zeit beginnt. JUB

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Rushhour im Oechlerweg in Gedern: Elterntaxis bringen Kinder zur Schule und ein Müllauto will auch noch durch. © Judith Seipel

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