Erbgut für den Wald von übermorgen: Reiserernte im Eichelsächser Forst

Den Wäldern geht es schlecht, Trockenstress macht den Bäumen zu schaffen. Waldumbau und -wiederaufbau sind wichtige Zukunftsthemen. Dafür werden unter anderem im Eichelsächser Forst Roteichenreiser geerntet.
Der Klimawandel zwingt auch die Forstwirtschaft zum Umdenken. Wie muss der Wald der Zukunft aussehen, um den klimatischen Veränderungen standzuhalten? Waldumbau, genauer der Waldwiederaufbau, ist daher eines der großen Themen von Forstwirtschaft und Forstwissenschaft.
Ziel der Arbeit sind klimastabile Wälder, die wärmeren Temperaturen und längeren Trockenperioden trotzen können. Dazu setzen die Wissenschaftler auf hochwertiges und anpassungsfähiges Vermehrungsgut.
Eine der Optionen dafür bieten nichtheimische Baumarten. Zu denen zählt die Roteiche. Sie ist die am häufigsten vorkommende nichtheimische Laubbaumart in Deutschland, auch wenn der Bestand weniger als ein Prozent des gesamten Waldbestandes beträgt.
Roteichen gibt es auch im Vogelsberg. Die Nordwestdeutsche forstliche Versuchsanstalt hat mit finanzieller Unterstützung der Bundesministerien für Ernährung und Landwirtschaft sowie für Umwelt und Naturschutz das Projekt »RupraSelect« initiiert, mit dem ein Züchtungsprogramm für - den Klimawandel trotzende - Roteichen eingeleitet worden ist.
Grundlage dafür ist die Auswahl und Beerntung sogenannter Plusbäume - herausragende vitale Bäume von hoher Qualität und sehr guter Wuchsleistung.
Projektleiterin Martha Töppe von der Abteilung Waldgenressourcen der Versuchsanstalt hat im vergangenen Herbst vier geeignete Roteichen im Revier Eichelsachsen ausgewählt. Die Bäume sind rund 40 Meter hoch und haben in 1,30 Metern Höhe einen Durchmesser von 60 bis 90 Zentimetern.
Mit 80 bis 100 Jahren werden Roteichen im allgemeinen hiebreif für die Ernte. Sie wachsen schneller als andere Eichenarten, die rund 180 bis 200 Jahre alt werden können.
Reiserernte in luftiger Höhe
Eine von letztlich zwei ausgewählten Roteichen, an der Töppe und der Anwärter für den Forstdienst, Julius Koch, stehen, ist 123 Jahre alt, eine geeignete Quelle für nachhaltiges Vermehrungsgut für den Wald von Übermorgen.
Um benötigte Reiser - kleine mit Knospen besetzte Asttriebe - zu ernten, tritt Kletterer Lars Herzog-Hawelka in Aktion. An einem langen Seil, das er über die Krone der Roteiche geschossen hat, klettert er an dem geraden Stamm hinauf bis zu den ersten seitlich austreibenden jungen Ästen hoch.
Nach ein paar gezielten Schnitten ist die Arbeit in luftiger Höhe schon beendet.
»Wir benötigen nur wenig Reisigmaterial«, sagt Martha Töppe. Im Labor der Versuchsanstalt in Göttingen werden später kurze Triebabschnitte mit einer Knospe auf einen anderen kleinen Eichentrieb aus der Baumschule der Versuchsanstalt aufgepfropft.
Durch die Veredelung, die auch im Obstanbau vielfach angewandt wird, soll das genetische Erbgut der Roteiche aus dem Eichelsächser Revier für die zukünftige Aufzucht bewahrt und genutzt werden.
Insbesondere die Widerstandskraft gegen Trockenheit ist gefragt. »Die kleine Pfropflinge verfügen dann schon über die genetische Anlagen der über 120-jährigen Roteiche«, betont Töppe. Insgesamt werden 100 Roteichen in den vier Bundesländern, die die Versuchsanstalt betreut, für das Projekt ausgewählt.
Samen von ausgewählten Bäumen
Die Ernte steht am Anfang eines Zuchtprogramms, an dessen Ende die Erzeugung zukunftsfähigen Saatguts steht.
Deutschlandweit sind zwei Zuchtzonen bestimmt worden. Die ausgewählten Plusbäume sollen für die jeweilige Zuchtzone eine hohe klimatische Anbausicherheit aufweisen.
Neben den Reisern werden von den ausgewählten Roteichen auch Samen eingesammelt. Das soll im Herbst passieren, wenn die Eicheln reif sind und am Boden liegen.
Während die Pfropflinge in einem Klonarchiv ausgepflanzt werden, um die genetischen Informationen der Plusbäume zu sichern und sie nachhaltig verwenden zu können, werden mit den Eicheln verschiedene Versuchsflächen angelegt.
Später werden die Wuchseigenschaften der Nachkommen verschiedener Plusbäume verglichen und weitere Ausleseschritte durchgeführt, um bestmögliches Material zu erhalten. Die Versuchsflächen sollen dann in Samenplantagen überführt werden, aus denen - so das Ziel - hochwertiges Saatgut für widerstandsfähige Roteichen zur Verfügung gestellt werden kann.
Daneben sollen im Rahmen des Projektes auch die Herkunft der ortsfremden Plusbäume geklärt werden sowie ihre genetische Vielfalt und ihr mögliches Anpassungspotenzial an verschiedene Witterungseinflüsse. Als Zeithorizont rechnen die Wissenschaftler mit etwa 25 Jahren. Für den Wald von übermorgen braucht es Geduld.