Ersehnter Schritt ins Berufsleben

Nur ganz wenige Menschen mit einer geistigen oder Lernbehinderung finden nach der Schulzeit eine Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Dass dies mit der richtigen Förderung und Betreuung durchaus möglich ist, zeigt seit drei Jahren ein bundesweit einzigartiges Projekt in Friedberg
Für die meisten jungen Menschen mit einer Beeinträchtigung kommt nach der Schulzeit nur eine Beschäftigung in einer Werkstatt für Behinderte in Frage, doch nicht wenige könnten durchaus einer »normalen« geregelten Arbeit nachgehen. Diese inklusive Arbeit zu schaffen, ist Ziel des Projekts »abBI - alternative berufliche Bildung« des Beratungs- und Bildungszentrums, einer gemeinnützigen Gesellschaft unter dem Dach des Internationalen Bundes.
Das Projekt startete vor drei Jahren - mitten in der Corona-Pandemie - mit drei jungen Menschen, die alle nach dem 27-monatigen Projekt auf dem freien Arbeitsmarkt vermittelt werden konnten. »Die Nachfrage steigt ständig, letztes Jahr waren es schon fünf, in diesem Jahr sind es sieben junge Menschen mit Förderbedarf, denen wir Orientierung und Qualifizierung vermitteln«, sagt Projektleiterin Tabea Trapp, die maßgeblich an der Realisierung des Projekts beteiligt gewesen ist. Ebenso wie der unabhängige Dienst »Inklusive Arbeit Wetterau« (InkA) mit Sitz in Bad Nauheim, der seit 2017 junge Menschen mit Behinderung dabei unterstützt, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in der Wetterau Fuß zu fassen.
Etwas anderer Unterricht
»Ich habe bei InkA mein Anerkennungspraktikum absolviert«, erzählt Trapp in den Räumen des IB Südwest in einer ehemaligen Textilfabrik in der östlichen Friedberger Altstadt. Hier finden die Unterrichtseinheiten für die Teilnehmer statt., zunächst in einem vierwöchigen Blockunterricht, dem sogenannten Eingangsverfahren, das im Laufe des Projekts zweimal wiederholt wird.
Aktuell ist dies für die beiden Jahrgänge 2022 und 2023 der Fall. Täglich von 8 bis 15.30 Uhr findet der Unterricht statt, wobei andere Regeln gelten als in einem »normalen« Schul- oder Projektunterricht. Trapp: »Wir stellen eine Vertrauensbasis her, betreiben Konfliktbewältigung und sprechen natürlich über die Praktika.« Oft wird mittags eingekauft und gemeinsam gekocht, aber auch Betriebe und Firmen werden besucht »Wir sind immer sehr flexibel, das muss man hier auch sein«, sagt Trapp, die zusammen mit ihren inzwischen vier Mitarbeitern die Teilnehmer sehr individuell betreut und auch in den Betrieben besucht, denn die jungen Menschen absolvieren während ihrer »abBI-Zeit« auf dem regulären Arbeitsmarkt ein Langzeitpraktikum.
»Das ist das Besondere an dieser Maßnahme«, sagt Trapp, die sich freut, dass viele Betriebe Praktikumsplätze zur Verfügung stellen. Jeden Freitag treffen sich die »Jahrgänge« dann beim IB Südwest, um die zurückliegende Woche gemeinsam zu reflektieren.
»abBi« wird durch die Agentur für Arbeit für längstens 27 Monate finanziert. »Die Dauer richtet sich nach der Werkstattordnung für Behindertenwerkstätten«, erläutert Trapp. Sie und ihre vier Mitstreiter betreuen auch nach Abschluss der Maßnahme ihre »Klienten« weiter, was durch die Zusammenarbeit mit dem Integrationsdienst des Wetteraukreises möglich geworden ist.
Mit welcher Begeisterung die aktuell zwölf jungen Menschen dabei sind, wird beim Besuch dieser Zeitung im »Klassenraum« deutlich. »Wollen sie einen Kaffee haben?«, fragt Amelie sofort. Die 18-Jährige absolviert seit einem Jahr im Seniorenheim »Am Kaiserberg« in Bad Nauheim ihr Praktikum in der Küche und im Service.
Sarah aus Friedberg gehört zum neuen Jahrgang und hat schon einige Tage im Bad Nauheimer Haus »Hephata« in der Küche und der Wäscherei gearbeitet. »Das macht mir Spaß«, sagt die 21-Jährige.
Erik aus Pohl-Göns freut sich, dass er im Gambacher Dorea-Seniorenheim in der Küche arbeiten kann. »Ich habe erst angefangen, ich will dabei bleiben«, sagt der 20-Jährige. So etwas wie seinen »Traumjob« scheint Arthur aus Ossenheim gefunden zu haben. Der 18-Jährige will unbedingt noch von seiner Tätigkeit im AWO-Seniorenheim Florstadt erzählen. »Ich lerne Hausmeister, das liegt mir.«
»Wir werden sicher alle im regulären Arbeitsmarkt vermitteln können«, ist sich Trapp sicher. Bleibt zu hoffen, dass »abBi« bald Schule macht.
Mehr Informationen über den »Baustein zur inklusiven Arbeitswelt« gibt es im unter www.internationaler-bund.de/angebot/10851.
