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»Es gibt keine Geheimnisse«

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Diana Schmidt von der Dauernheimer Feuerwehr (2. v. r.) organisiert das Kinder-Sicherheitstraining mit Präventionstrainer André Engel (3. v. r.). Anja und René Ruck vom Medi-Spa in Ranstadt sponsern den Workshop mit Feuerwehr und der Dauernheimer Firma Griga. © Ingeborg Schneider

Dauernheim (mü). »Wer mag sich 300 Euro verdienen?« ruft Präventions- und Sicherheitstrainer André Engel in die Runde der Acht- bis Elfjährigen in Dauernheims Feuerwehrstützpunkt. Dazu wedelt er verheißungsvoll mit sechs 50-Euro-Scheinen. »Ich, ich!« tönt es ihm entgegen. »Das klingt gut«, sagt Engel. »Alles, was ihr dafür tun müsst, ist, allein mit mir vor die Tür zu gehen und mir einen Kuss zu geben.

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Drei Tage lang bietet Engel ein Sicherheitstraining für Kinder an auf Einladung von Diana Schmidt, Vorstandsmitglied der Freiwilligen Feuerwehr Dauernheim. Ziel ist es, die Kinder für die Gefahren durch sexuellen Missbrauch zu sensibilisieren.

Aus dem Kreis der zuschauenden Eltern ist bei Engels Frage ein erschrecktes Einatmen und leises, eindringliches »Nein!« zu hören. »Das mach ich nicht, das ist eklig«, stellen einige Kinder mit Bestimmtheit fest. Andere zögern, schauen zu den Eltern oder beginnen, untereinander zu diskutieren. Schließlich steht ein Junge auf, erkennbar unsicher, und verschwindet tatsächlich mit André Engel vor die Tür. Niemand folgt ihnen - aber natürlich kommen beide, Kind und Trainer, nach einer Weile zurück, der Junge verlegen, der Erwachsene immer noch mit den 300 Euro in der Hand. »Für dieses Mal ging alles gut, es war nur ein Spiel, eine Probe - und natürlich wollte ich gar keinen Kuss«, erklärt Engel Kindern und Eltern. »Aber genau so gehen Menschen vor, die euch schaden wollen und sich Rechte anmaßen, die ihnen nicht zustehen. Das können durchaus auch Verwandte, Freunde und gute Bekannte sein, denen ihr so etwas gar nicht zutraut. Oder jemand, der sich als Polizist, Helfer, Zauberer, Fotograf oder jugendlicher Mitspieler im Netz ausgibt. Was wäre in der Situation mit den 300 Euro richtig gewesen?« »Weglaufen!«, »Laut ›Nein‹ rufen, damit alle es hören!«, »Sofort die Eltern holen, alles erzählen und ihnen den Mann zeigen«, lauten die Antworten.

Wichtige Infos auch für Eltern

Die Maßnahme, die die Feuerwehr selbst, Anja und René Ruck vom Medi-Spa Ranstadt und die Dauernheimer Firma Griga sponsern, fällt in die Zeit des Prozessauftakts im Mordfall Ayleen. »Viele Eltern sind durch das grausame Geschehen um die 14-Jährige aufgeschreckt und fragen sich: Wie gefährdet ist mein Kind?« sagt Diana Schmidt. Das Angebot des Sicherheitstrainings, das Engel bereits mehrfach in Dauernheim anbot, stößt daher auf reges Interesse und trägt Früchte. Neben dem Training mit Frage-Antwort- und Rollenspielen gibt es eine Infoveranstaltung für Eltern, in der sie viel über das oft selbst für Erwachsene nicht auf Anhieb erkennbare Vorgehen pädophiler Täter und ganzer Banden in den sozialen Medien, in Online-Spielen, vor Schulhöfen und auf Spielplätzen erfahren. Immer wieder unterstreicht Engel dabei die Bedeutung offener, klarer und rückhaltlos vertrauensvoller Kommunikation zwischen Eltern und Kindern. Er empfiehlt auch die Installation von Sicherheits- und Überwachungssoftware auf heimischen Rechnern. »Sprecht mit euren Eltern über alles, was euch im Netz und der Wirklichkeit begegnet«, schärft er den Kindern ein. »Es gibt keine Geheimnisse, auch wenn euch jemand etwas anderes einredet, euch unter Druck setzt, erpresst oder bedroht. Hört auf euer Bauchgefühl, damit liegt ihr stets richtig.«

Auch die folgenden Fragen klärt Engel: An wen wendet man sich im Notfall? Wie schafft man Aufmerksamkeit und Öffentlichkeit - etwas, worauf Täter keinen Wert legen? Darf man auch zu vertrauten Personen ›Nein‹ sagen und sich abgrenzen?

Die Kinder hören aufmerksam zu. Die Eltern sind anfangs teils schockiert, worauf sich ihre Kinder einlassen würden, später begeistert vom eingetretenen Wandel. Allen ist klar, dass man den Workshop in der Familie nachbesprechen und verarbeiten muss. Ein Anfang ist gemacht. »Starke Kinder wissen, dass ihr Körper ihnen allein gehört, sie lassen sich nicht kaufen und grenzen sich deutlich ab, wenn ihnen etwas nicht passt«, gibt André Engel seinen jungen Zuhörern mit auf den Heimweg. Weitere Infos gibt es unter www.engel-sicherheitstraining.de.

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