Familie Hartmann: »Wir sind angekommen«

Seit acht Wochen leben Laura Jane und Eric Hartmann in ihrem Haus in der Borngasse 4 in Borsdorf. Das junge Paar hat von dem Programm der Stadt Nidda »Jung kauft alt« profitiert.
Vor acht Wochen haben Laura Jane und Eric Hartmann das Haus in der Borngasse 4 in Borsdorf mit ihren zwei Kindern bezogen. Das Haus wirkt freundlich, ist mit großen weißen Schindeln verkleidet. Für den Kauf wurde das Ehepaar mit 9000 Euro von der Stadt belohnt. »Jung kauft alt« heißt das Programm, das in ähnlicher Version auch in Büdingen angeboten wird.
Das Haus ist alt. Das merkt man spätestens, wenn man an der zweiten Türe den Kopf einziehen muss. Die Decken und die Türrahmen sind niedrig. Der Flur ist verwinkelt, im Schlafzimmer zieht sich ein verkleideter Fachwerkbalken durchs Zimmer, das Haus ähnelt ein wenig einem Labyrinth mit Wegen, die in immer weitere Räume führen. »Das Haus bietet viel mehr, als man auf den ersten Blick erwartet«, sagt der Familienvater. Von außen wirkt es eher klein, innen entpuppt es sich als ein wahres Raumwunder.
Das Haus hatte es ihnen angetan
Bereits vor über einem Jahr hatten sich die beiden die Immobilie angeschaut, doch durch die Elternzeit der Mutter nicht den notwendigen Kredit erhalten. Nach einem Jahr entdeckten sie, dass das Objekt erneut zum Verkauf angeboten wurde. Dann ging alles ganz schnell.
Das Paar sitzt in der Küche, die zweijährige Tochter tapst in Richtung Schlafzimmer. »Es ist, als wären wir schon ewig hier«, sagen beide übereinstimmend. Das Anwesen scheint für sie bestimmt zu sein.
Eigentlich wollten beide der Kinder wegen in Ober-Widdersheim, wo auch das Elternhaus von Laura Jane Hartmann steht, bleiben. Der Sohn und die Tochter gehen dort in den Kindergarten, der Fünfjährige soll auch in Ober-Widdersheim zur Schule gehen.
»Wir kommen beide vom Dorf«, erzählen sie. Es stand für sie außer Frage, dass sie sich für ein bestehendes Haus und gegen einen Neubau entscheiden. »Die sind alle auf dem Reißbrett entstanden«, sagt der 30-Jährige. Ein altes Haus sei eben nicht so wie viele Plattenbauten. Da stecke Flair und Geschichte drin.
Mit dieser Entscheidung buchten sie die Gewissheit, dass viel Arbeit auf sie zukommen wird. Das Bad und die Küche haben sie renovieren beziehungsweise einbauen lassen. Vieles auf den 110 Quadratmetern Wohnfläche will der junge Mann selbst ausprobieren und wieder instand setzen.
Es war schwierig, Daten über das Haus zu bekommen. Der vordere Teil des Hauses stammt vermutlich aus dem Jahr 1787, in den Achtzigerjahren wurde erweitert. Eine große Scheune bietet jede Menge Perspektiven. Der Garten, der von der Straßenseite gar nicht einsehbar ist und in dem mehrere große Fichten standen, zeigt sich jetzt offen und gestaltbar. »Hier können wir uns verwirklichen«, ist sich Eric Hartmann sicher.
Der Antrag für das Programm »Jung kauft alt« sei einfach auszufüllen, das Formular wider Erwarten verständlich formuliert. Innerhalb von fünf Wochen erhielten sie Post von der Stadt Nidda. Das Kuvert hatte Eric Hartmann erst mal auf den Küchentisch gelegt. Ist es eine Zu- oder Absage? »Als ich dann den Freudenschrei meiner Frau hörte, war mir klar, dass wir den Zuschuss bekommen.« Gebrauchen können die Hausbesitzer das Geld sehr gut: Verputzarbeiten stehen an, der Container für Abfälle muss bestellt werden, an allen Ecken und Enden wartet Arbeit. Mit der Finanzspritze aus dem Programm reicht die Stadt Nidda denjenigen, die sich an alte Häuser heranwagen, ein Sahnebonbon.
Alte Häuser bergen nicht nur viele Aufgaben und Überraschungen, sondern auch eine besondere Wohnatmosphäre. Doch die Umnutzung von großen Hofreiten oder die Erschließung von Baulücken im Dorfkern scheitern oft an den Eigentümern oder Vorstellungen potenzieller Käufer. Nicht jeder hat ein Faible für Fachwerk und womöglich Denkmale, die die Raumplanung und zum Teil auch das Material vorgeben.
Wenn Hofreiten in den Dörfern leer stehen und der Schwerpunkt auf neuen Wohngebieten am Rand liegt, entsteht der sogenannte Donut-Effekt. Die Dorfinnenentwicklung steht im Fokus vieler Stadtplaner und Geografen. Mit dieser Strategie versucht man, Leerstände zu vermeiden und den Ortskernen wieder mehr Leben und Wohnqualität einzuhauchen. An diese Betrachtung schließt sich unmittelbar das Thema Nachhaltigkeit und die Inwertsetzung von Bestandsimmobilien an. Einen Altbau wiederzubeleben heißt auch, bestehende wertvolle Ressourcen zu nutzen und keinen weiteren Boden zu versiegeln.
Ruhig ist es in der Borngasse. Die Arzthelferin kennt schon viele Borsdorfer über den Kindergarten oder Chor. Auch beim Straßenflohmarkt hatten sich die Hartmanns beteiligt. »Hier kennt jeder jeden, man grüßt sich.« Für die Kinder gibt es einen Spielplatz, der Anschluss an den Bahnhof und die Nähe zur Autobahn sind klare Pluspunkte. Es überrascht nicht, wenn die junge Mutter sagt: »Wir sind angekommen.«