Familienvater wegen Millionenbetrug vor Gericht
Wegen Veruntreuung von rund 8,7 Millionen Euro muss sich ein Limeshainer vor dem Gießener Landgericht verantworten. Er war zuvor Bereichsleiter der Sparkasse.
Laut der Staatsanwaltschaft soll der Angeklagte, ein 44-jähriger Familienvater aus Limeshain, in den vergangenen zehn Jahren durch geschicktes Hin- und Herbuchen auf internen Konten der Sparkasse Oberhessen dieselbe um mehr als 8,7 Millionen Euro betrogen haben (wir berichteten). Allein im Zeitraum vom 31. Mai 2012 bis zu seiner Verhaftung im April 2017 sollen in 34 Handlungen rund 4,2 Millionen Euro beiseitegeschafft worden sein.
Die Taten vor 2012, bei denen er mit derselben Vorgehensweise weitere 4,5 Millionen Euro ergaunert haben soll, sind inzwischen verjährt. Wie er vor Gericht am ersten Verhandlungstag selbst vorträgt, hatte alles 2007 mit dem Bau seines Hauses in Limeshain angefangen.
Haargenaue Prüfung
Obwohl er schon früh bei der Sparkasse Karriere machte und dabei sehr schnell bis zum Bereichsleiter aufgestiegen war, reichte sein Einkommen von etwa 4000 Euro damals für die Familie und den Hausbau nicht mehr aus. „Als gelernter Buchhalter habe ich sehr schnell die Lücken im Sicherheitssystem der Sparkasse erkannt“, erklärte der Angeklagte vor Gericht.
Während die Buchungen mit den Kunden haargenau überprüft wurden und hier auch das Vier-Augen-Prinzip angewandt wurde, wurden Transaktionen unter Bankinstituten nicht so streng gehandhabt. In diesen Fällen reichte eine Unterschrift, und die war von ihm. Die Überweisungen gingen an eine Berliner Bank, bei der er und seine Mutter Konten unterhielten. Damit die Buchungen nicht auffielen, schrieb er einfach auf den internen Sparkassenbeleg „Umbuchung“ sowie eine lange Referenznummer.
Von seinen Mitarbeitern habe da keiner nachgefragt. Schließlich war die Unterschrift unter dem Buchungsbeleg ja vom Chef. Und der galt unter Kollegen als sehr angenehm und kumpelhaft. „Ich habe extra keinen meiner Mitarbeiter die verdeckten Buchungen auf mein Konto mit unterschreiben lassen, damit da keiner reingezogen wird“, gibt sich der Angeklagte vor Gericht als fürsorglicher Chef. Er tritt sehr selbstbewusst auf und räumt sämtliche Taten unumwunden ein. „Eigentlich hätte die Betrügerei ganz schnell auffliegen müssen. Aber dazu wären Profis notwendig gewesen, „und die gibt es bei der Sparkasse nicht“, äußert er, obwohl viele der Zuschauer im Gerichtssaal ehemalige Kollegen sind.
Drogen und Sex
Als das Gericht nach seinem Motiv fragt, springt allerdings sein Anwalt ein und beantragt den Ausschluss der Öffentlichkeit. Hinter verschlossenen Türen räumt der Angeklagte dann ein, dass er in den zehn Jahren über zwei Millionen Euro für Drogen und für spezielle Sexpraktiken ausgegeben habe. Weitere fünf Millionen habe er in Wertpapiere und in Immobilien investiert.
Auch seine Verwandtschaft und Freunde habe er großzügig bedacht. Das Gericht spricht von über 100 Namen, an die Gelder im vierstelligen Bereich von seinem Konto überwiesen worden seien. Nach ersten Angaben der Sparkasse sollen trotz allem inzwischen schon über vier Millionen Euro wieder sichergestellt worden seien.
Aufgeflogen sind seine Betrügereien durch den Hinweis der Berliner Bank aufgrund des Geldwäschegesetzes. Warum der Angeklagte jedoch so lange freie Hand für sein kriminelles Handeln hatte, will das Gericht in den nächsten Verhandlungstagen zu erkunden versuchen. Der Prozess wird am 11. Dezember fortgesetzt.