Frau in zwei Männerwelten

Jutta Sein ist Journalistin und jahrzehntelang Rallyes und Rennen gefahren. Alles in ihrem Leben hat eine Geschichte, sagt die 77-Jährige, die in Bad Nauheim lebt. So weiß sie viel zu erzählen, wie sie ihren Mann kennengelernt hat, wie sie zum Schreiben kam und, wie sie ihr Hobby zum Beruf gemacht hat.
Machen, könnte ja gut werden. Das ist das Motto von Jutta Sein. Es hat die 77-Jährige bisher durch ihr Leben begleitet. Und auch zu ihrem Hobby geführt. Jahrzehntelang ist sie Rallyes und Rennen gefahren. Wie sie dazu gekommen ist? »Das hat, wie alles bei mir, eine Geschichte«, sagt die gebürtige Westfalin, die in Bad Nauheim lebt.
Nachdem ein Job in München kurzfristig geplatzt war, musste Sein schnell umdisponieren. In ihrer Heimatstadt Korschenbroich wurde eine Phonotypistin gesucht. Selbstbewusst stellte sie sich vor: »Hallo, ich bin Ihre neue Phonotypistin.« Sie bekam den Job. Eine Kollegin war Schriftführerin bei einem Motorsportclub. Sein solle mal mitkommen und ob sie einen Freund habe, wollte die Kollegin wissen. Es seien viele nette Jungs dort, besonders einer, der frisch geschieden war. »Naja, der war es dann auch«, sagt sie heute über ihren späteren Ehemann Gerd.
Vor der Hochzeit 1968 nahm er Sein mit seinem 38-PS-Käfer mit auf den Nürburgring. »Den wollte ich schon immer mal sehen.« Nachdem er eine Runde mit ihr gedreht hatte, fragte sie: »Darf ich jetzt auch mal fahren?« Könnte ja schließlich gut werden. Ihr Bald-Ehemann sei verblüfft gewesen. »Das ist ihm noch nie passiert.« Sie tauschten die Plätze, Jutta Sein drehte eine Runde - und war fünf Sekunden schneller als ihr Gerd. »Seit dem Tag durfte ich mitfahren.«
Sein fing als Fahrerin an, in Rallyes zu fahren. Auf dem Beifahrersitz: Ihr Mann. Doch irgendwann wollte sie wissen, wie es ist, auf der anderen Seite zu sitzen und Anweisungen zu geben. »Ich bin sehr neugierig, bis heute«, sagt Sein. Also nahm sie auf dem Beifahrersitz Platz. Und blieb dort sitzen. Das Rallyefahren führte Sein durch Europa - oft nach Belgien, Holland, Tschechien und immer wieder auf den Nürburgring. Seit 1978 war sie bei der Rallye Monte Carlo dabei. Zwar nicht als Fahrerin, aber als Begleitung. Als die Seins 1987 mit dem Rallyefahren aufhören, satteln sie auf Rennen um. Gerd Sein war oft Rennleiter auf dem Langstreckenpokal am Nürburgring.
In der Zwischenzeit hatte Jutta Sein ihr Hobby zum Beruf gemacht. Ein Beruf, der ihre beiden Leidenschaften vereint: »Ich habe einen Job gesucht, der Autos und Journalismus verbindet.« Nachdem sie beruflich anfangs im »Zickzack unterwegs« gewesen war, unter anderem ein Architekturstudium hat, fing sie 1976 bei der Öffentlichkeitsarbeit für Toyota in Köln an. 1988 wurde sie »rausgeschmissen«. Doch auch daraus kann sie etwas Positives ziehen: »Sonst hätte ich mich nie selbstständig gemacht.« Drei Jahre lang arbeitet sie als freie Journalistin, schreibt für die FAZ, die Süddeutsche Zeitung und die Welt.
Prokuristin bei Subaru in Friedberg
Als ein Headhunter aus Lich Jutta Sein 1990 fragt, ob sie Leiterin der Öffentlichkeitsarbeit für Subaru in Friedberg werden möchte, sagt sie Ja. Sie wohnt in Stammheim, 2008 wird sie Prokuristin und bleibt bis zu ihrem Renteneintritt 2011 bei Subaru. Seitdem arbeitet sie weiter als Journalistin, Buch-Autorin und Lektorin.
Das Schreiben hat sie schon in der Schule begleitet. Aber eben anders, als die anderen Kinder. Als sie einen Aufsatz über die Klassenfahrt schreiben sollten, stöhnten ihre Mitschüler. Jutta Sein aber machte das gerne. So gerne, dass sie noch zwei Aufsätze für andere schrieb. Die Bezahlung: eine Mark. Die Lust zu schreiben, ist bis heute geblieben. »Ich schreibe gerne, das ist keine Arbeit für mich.«
Worüber Sein allerdings lange nicht schreiben konnte: den Tod ihres Mannes Gerd 2005. »Er war ein toller Typ, mein Ein und Alles«, sagt sie. Gerne hätte sie ihren 50. Hochzeitstag mit ihm gefeiert, doch es wurden nur 38. »Das ist das einzige, was ich an mich rangelassen habe«, sagt die 77-Jährige.
Dass sie jahrzehntelang in Hobby und Beruf in einer Männerdomäne zu Hause war, hat ihr »nie etwas ausgemacht«. Sein sagt: »Ich habe das nie so gesehen, mich immer zugehörig gefühlt.« Sie habe immer am Vorstandstisch gesessen, sich überall etwas abgeguckt. »Ich wollte nie ein Mann werden, ich bin ja schon eine gute Frau.«
Jutta Sein hat viel zu erzählen. In ihrem Leben hat sie viel gemacht, viele Erfahrungen gesammelt und viele nette Menschen getroffen, wie sie sagt. »Ich hoffe, ich habe auch noch sehr viel Spannendes vor mir.«