Freispruch für die Angeklagten
Lich/Gießen (bac). Mit einem Freispruch und einem »in dubio pro reo« endete der Prozess gegen zwei Männer aus Butzbach, die sich wegen des Vorwurfs der gemeinschaftlich begangenen Vergewaltigung und Freiheitsberaubung vor der neunten Strafkammer des Landgerichts Gießen verantworten mussten. Die beiden Angeklagten nahmen das Urteil entsprechend gelassen auf.
Die Geschädigte war in dem Prozess als Nebenklägerin aufgetreten.
Alle drei - die beiden Angeklagten und die heute 22 Jahre alte Frau - kennen sich schon länger, wohnen in Butzbach. Gemeinsam waren sie an jenem Abend im Oktober 2020 nach Lich zu einem Bekannten gefahren, wollten zusammen den Abend verbringen. Der jüngere Angeklagte, mit dem die Frau schon zuvor sexuellen Kontakt im Rahmen einer »Freundschaft plus« gehabt haben soll, hatte sie in der Wohnung via Snapchat gefragt, ob sie Lust auf einen »Dreier« habe. Sie lehnte ab.
Später stieg sie mit den beiden Männern in ein Auto, weil sie glaubte, sie würden sie nach Hause fahren. In dem Auto ist es dann zum Sex gekommen, das ist unstrittig. Die Frau bezeichnete dies später als Vergewaltigung, die Männer sagten hingegen aus, dass es einvernehmlicher Geschlechtsverkehr gewesen sei. Anschließend fuhren alle drei wieder zurück in die Wohnung des Bekannten nach Lich.
Dementsprechend unterschiedlich hatten auch die Verteidiger und die Oberstaatsanwältin Yvonne Vockert plädiert: Während Vockert die Aussage der Frau als stimmig wertete und für die Vergewaltigung mehrjährige Haftstrafen und die Zahlung von je 7000 Euro gefordert hatte, hatte die Verteidigung auf Freispruch plädiert. Dem folgte das Gericht, da es keine objektiven Beweise außer den Aussagen der Beteiligten gebe.
Aussage wirft Fragen auf
In seiner Begründung betonte der Vorsitzende Richter Dr. Klaus Bergmann, dass sich das Gericht stundenlang mit der Urteilsfindung beschäftigt habe. Letztlich hätten objektive Beweismittel gefehlt und Aussage gegen Aussage gestanden.
Die Motivation, den Geschlechtsverkehr als Vergewaltigung darzustellen, vermutete das Gericht in dem sozialen Umfeld der damals 19-Jährigen. So führte Bergmann aus, dass die Frau den Sexualverkehr als Vergewaltigung bezeichnete, nachdem ihr bewusst geworden war, welche Kreise dieser »Dreier« in Butzbach ziehen könnte, zumal ihre Eltern von weiteren Zeugen als »streng« bezeichnet wurden. Die Anzeige erfolgte erst rund eine Woche später.
Aber auch das Verhalten der Angeklagten und der Geschädigten im Nachgang zu dem Geschehen wirft nach Ansicht des Gerichts Fragen auf: So war es dem Gericht nicht verständlich, warum die beiden Angeklagten die Frau später einfach in der Wohnung sitzen ließen und ohne sie nach Butzbach fuhren. »Das sieht wie Flucht aus«, meinte der Richter. Ebenso unverständlich erschien es dem Gericht, dass die Frau, die gerade noch von den beiden Männern angeblich vergewaltigt worden sei, diese mehrfach versuchte anzurufen, damit sie sie nach Hause mitnehmen. Ihre Begründung, dass sie die Vergewaltigung zu dem Zeitpunkt noch nicht wirklich realisiert habe, wertete das Gericht als wenig glaubhaft.
Bei allen Abwägungen habe das Gericht nur zu diesem Urteil kommen können. Der Rechtssatz »in dubio pro reo« sei auch Ausdruck des demokratischen Rechtsstaats, der es hinnehmen müsse, dass Angeklagte trotz verbliebener Zweifel freizusprechen seien, sagte Bergmann abschließend.
Die Geschädigte war zur Urteilsverkündung nicht anwesend. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.