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Sieben Kilometer Kabel durchgeschmort - Nidderau-Strecke weiter blockiert

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Mit ein paar Austausch-Platinen ist es nicht getan: Die Reparatur des neuen Eisenbahn-Stellwerks in Friedberg wird zur Sisyphos-Arbeit, berichten Techniker vor Ort. Sie rätseln noch, wie der Starkstrom aus der Oberleitung ins empfindlichen Signalsystem gelangen konnte. Immerhin: Fast alle Züge können wieder fahren.

Sie arbeiten rund um die Uhr: Bis zu 40 Spezialisten sind seit Tagen dabei, die Kurzschluss-Schäden im Friedberger Stellwerk der Bahn zu sichten und zu reparieren. Ein Kurzschluss hat am Sonntag um 14.19 Uhr die Steuerung aller Weichen und Signale zwischen Bad Nauheim, Nieder-Wöllstadt und Assenheim zerstört. Seitdem müssen zehntausende Bahnkunden zusehen, wie sie rechtzeitig an ihre Ziele kommen. Für sie ist nun aber Besserung in Sicht.

Seit Mittwoch um 16 Uhr können die Signale und Weichen am Friedberger Bahn-Knotenpunkt wieder gesteuert werden, sagt Technik-Chef Stefan Zander bei einem Ortstermin im Stellwerk. Das heißt: Die Züge können wie im Fahrplan vorgesehen auf der Main-Weser-Bahn zwischen Gießen und Frankfurt verkehren. Auch die Züge nach Friedrichsdorf, nach Nidda und Wölfersheim seien wieder im Takt. „Die Störung ist behoben“, verkündet die Bahn zufrieden.

Seit dem Nachmittag fahre die S-Bahn S6 wieder bis nach Friedberg durch. Seit Sonntag wurde die Strecke zwischen Friedberg und Nieder-Wöllstadt mit Regionalzügen und Ersatz-Pendelbussen bedient.

Noch bis 20. Februar bleibt ein Teil der Bahnstrecke nach Hanau unbefahrbar, erklärt Bahn-Sprecher Thomas Bischoff. Von Friedberg bis Nidderau werden weiter Pendelbusse verkehren. Sie nehmen unterwegs die Fahrgäste am Assenheimer Bahnhof auf. Denn an dieser Strecke ist der Kurzschluss passiert, der das nicht mal zwei Jahre alte und 77 Millionen Euro teure Stellwerk zu großen Teilen zerstörte.

Starkstrom in feine Kabel

Irgendwo auf dieser Strecke ist am Sonntag der auf 15 000 Volt gespannte Strom aus der Oberleitung in die nur für feine Ströme ausgelegten Steuerungskabel der Signalanlage gelangt. Das ist erstaunlich, denn die nach wie vor intakte Oberleitung hängt mehr als fünf Meter über den Gleisen – und die Steuerungskabel verlaufen in einem Kanal am Erdboden. Niemand weiß, wie die Hochspannung diese Distanz überbrücken konnte.

Auf jeden Fall ist das dicke Signalkabel auf der sieben Kilometer langen Strecke an mehreren Stellen verschmort worden, sagt Bahn-Notfallmanager Dieter Richter. Das Kabel müsse nun auf voller Länge ausgetauscht werden. Und weil sich die Hochspannung bis ins Friedberger Stellwerk gefressen hat, sei es dort nicht mit dem Austausch einiger Platinen getan. Gut drei Dutzend Techniker werden noch einige Tage damit beschäftigt sein, die automatische Anlage zu reparieren und zu überprüfen. „Es ist eine Sisyphos-Arbeit“, sagt Richter.

Sieben mannshohe, gut zwei Meter lange Schränke mit Kabeln, Platinen und 30 Rechnern stehen in den mit Technik vollgepackten Räumen. Sechs Rechner und mindestens 150 Platinen sind beim Kurzschluss kaputt gegangen, teils sichtbar verschmort. Sie sind inzwischen ausgewechselt worden. Die Techniker prüfen nun alle anderen Teile auf ihre Funktionsfähigkeit.

Dieter Richter zeigt auf die Wand, an der mehr als 10 000 Signalkabel von außen an einer senkrechten Leiste mit den dünneren Kabeln zu den Rechnern verbunden sind. „Wir müssen jedes einzelne Kabel mehrfach ausmessen“, erklärt Richter. Das brauche Zeit.

Ein derart massiver Kurzschluss ist der Bahn bislang noch nie passiert, sagt Thomas Bischoff. Und der Aufwand, ihn zu reparieren, sprenge alle gewohnten Dimensionen. Wie teuer das Ganze werde, könne man noch nicht abschätzen.

Tagelang abgehängt

In der ersten Phase der Mega-Panne sind die Weichen und Signale komplett ausgefallen. Bahnarbeiter haben zunächst die Weichen mit schweren Schlössern so gesichert, dass die Züge der Main-Weser-Linie ohne abzubiegen fahren können. Die Nebenstrecken in die östliche Wetterau und den Hochtaunus müssen von anderen Gleisen aus bedient werden.

Und die am Sonntagnachmittag auf den Friedberger Abstellgleisen geparkten S-Bahn-Triebwagen waren tagelang gefangen. Auch deshalb fahren seit Sonntag Ersatzbusse bis Nieder-Wöllstadt.

Als der Zugverkehr zusammengebrochen ist, hat die Bahn zwischen Gießen und Frankfurt Bedienstete eingesetzt, die den Reisenden Hinweise geben sollten. Oft war guter Rat trotzdem nicht zu finden. „Es fehlt Personal an den Stationen“, kritisiert Thomas Kraft vom Fahrgastverband Pro Bahn Hessen. Denn die Bahn-Belegschaft sei in den vergangenen Jahren drastisch reduziert worden.

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