33 000 Überstunden in der Wetterauer Gastronomie
Wetteraukreis (pm). Es ist der »Fleiß-Pegel« im Wetteraukreis: Rund 2,42 Millionen Überstunden haben die Menschen im Wetteraukreis im vergangenen Jahr am Arbeitsplatz geleistet. Davon 1,55 Millionen Arbeitsstunden zum Nulltarif - ohne Bezahlung. Das geht aus dem Überstunden-Monitor des Pestel-Instituts hervor. Die Wissenschaftler haben dabei die »Plus-Stunden im Job« im Auftrag der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) untersucht.
»Alle Beschäftigten zusammengenommen haben den Unternehmen im Wetteraukreis durch unbezahlte Mehrarbeit rund 22,38 Millionen Euro quasi ›geschenkt‹. Und das ist schon äußerst sparsam - nämlich nur auf Mindestlohn-Basis - gerechnet«, sagt Andreas Kampmann von der NGG Nord-Mittelhessen. Außerdem sei der Überstunden-Berg auch ein Gradmesser für den »massiven Fachkräftemangel«.
»Allein in Hotels, Restaurants und Gaststätten leisteten die Beschäftigten im vergangenen Jahr im Wetteraukreis rund 33 000 Überstunden. 14 000 davon ohne Bezahlung - quasi für umsonst«, wird das Pestel-Institut in einer Pressemitteilung der NGG Nord-Mittelhessen zitiert.
Die Wissenschaftler haben bei ihrer Untersuchung laut NGG aktuelle Mikrozensusdaten ausgewertet. Basis der Überstunden-Berechnung sei die Übertragung von Branchen-Durchschnittswerten auf die Beschäftigungsstruktur im Wetteraukreis.
Mit Blick auf die Überstunden warnt die NGG Nord-Mittelhessen: Hotellerie und Gastronomie könnten nicht dauerhaft auf die »Goodwill-Überstunden« ihrer Beschäftigten bauen. »Es wird höchste Zeit, das Fachkräfte-Loch zu stopfen, das die Corona-Pandemie noch vergrößert hat. Das klappt allerdings nur, wenn Hotels und Restaurants bereit sind, attraktive Löhne zu bezahlen. Perspektivisch muss der Gastro-Startlohn für eine Köchin oder einen Restaurantfachmann nach der Ausbildung bei 3000 Euro pro Monat für einen Vollzeitjob liegen«, fordert NGG-Geschäftsführer Andreas Kampmann. Dieses »Lohn-Ziel« müsse die Gastronomie-Branche Schritt für Schritt erreichen. Nur dann werde es gelingen, junge Menschen für eine Ausbildung im Hotel oder Restaurant zu gewinnen.
Die Hälfte arbeitet als Mini-Jobber
Das Gastgewerbe erlebe gerade einen regelrechten »Fachkräfte-Schwund und Mini-Job-Schub«. Ob in der Küche, im Service, an der Hotelrezeption oder an der Bar: »Die Branche versucht, fehlende Fachkräfte immer häufiger durch angelernte Beschäftigte zu ersetzen«, berichtet der Geschäftsführer der NGG Nord-Mittelhessen. Mittlerweile seien 50 Prozent der Gastro-Beschäftigten im Wetteraukreis Mini-Jobber.
Der Fachkräfte-Mangel und eine faire Bezahlung in der Gastronomie, im Lebensmittelhandwerk und in der Ernährungsindustrie werden auch ein Schwerpunktthema auf dem Gewerkschaftstag der NGG Mitte November in Bremen sein, zu dem auch Bundeskanzler Olaf Scholz erwartet wird.