Alice in der Psychiatrie

Friedberg (pm). Rebekka Radgen ist 21, Svenja Illenberger 22. Die beiden Freundinnen aus Assenheim bzw. Friedberg sind die jüngsten im vierköpfigen Regieteam, mit dem der Friedberger Amateurtheaterverein am ersten Novemberwochenende »Alice im Anderland« auf die Bühne bringt. Unterstützung erhalten sie von zwei alten Hasen auf dem Regiestuhl, Vereinsgründer Burkhard Struve und Andreas Arnold.
Begonnen haben Radgen und Illenberger im Friedberger Theater als Darstellerinnen in Thornton Wilders »Unsere kleine Stadt«. Vier Jahre, drei erfolgreiche Inszenierungen und einen gemeinsamen Seminarbesuch fürs Regieführen später, entwickeln sie nun gemeinsam ein Stück. Für Radgen ist es nach der letztjährigen Produktion von Mrozeks »Auf hoher See« die zweite Regiearbeit. »Ich wurde bei den Textstreichungen, dem Planen des Probenplans und der Requisitenorganisation miteinbezogen«, sagt die 21-Jährige.
Für Illenberger ist es eine Premiere. »Ich konnte mein gelerntes Wissen aus Seminaren bei der Durchführung von Schauspielübungen umsetzen und vieles über Probenstruktur, Organisation und Gruppenleitung lernen«, sagt sie. Beide haben Lust, den Regiestuhl erneut zu besetzen.
Arnold, der den Vorsitz im Regieteam innehat, ist stolz auf das, was es geleistet hat. Und das scheint einiges zu sein, denn Struve weiß: Es ist das herausforderndste Stück, dass die Helden je gespielt haben. Im Gegensatz zum Roman »Alice im Wunderland«, in dessen Anschluss es spielt, ist das Stück von Stefan Altherr ganz und gar nicht für Kinder gedacht.
Alice (Svenja Illenberger) ist nicht mehr im Wunderland, dafür in der Psychiatrie. Die Figuren aus Lewis Carrolls Vorlage finden sich als personifizierte Störungsbilder in der Anstalt wieder: Der Hutmacher (Julia Wynohradnik) erlebt Flashbacks in Kriegszeiten, die Köchin (Manuela Sitta) lügt, was das Zeug hält, und die Herzogin (Ingrid Hamer) umsorgt ein Kissen wie den eigenen Sohn, Herzkönigin (Simela Tamay) und Herzbube (Rudolph Weber) sind herrische und sadistische Pfleger. Können Alice und ihre Grinsekatze es schaffen, dem zu entkommen? Doch wo beginnt und endet das Anderland?
Zur Handlung: Nachdem ihre Eltern bei einem Feuer umgekommen sind, findet sich Alice in der Nervenheilanstalt Ramstein-Miesenbach wieder. Der kalten Realität entflieht sie mit diesen wunderbaren blauen Pillen, die sie in ihr buntes Anderland führen. Doch als ein neuer Psychiater (Ralf Stößer) in der Klinik seinen Dienst antritt, wird ihr Leben beschwerlich, denn der hält wenig von Medikamenten und setzt alles auf die Gesprächstherapie. Alice wird zunehmen rebellischer und begibt sie sich immer rücksichtsloser auf die Suche nach einer neuen Quelle für ihre Psychopharmaka, ohne die sie das Anderland nicht betreten kann.
Dort zeigen sich die unmaskierten Charaktere der Patienten: Der Multitoximane, der so gedehnt spricht, dass es kaum zum Aushalten ist, wird zur Raupe, die junge Frau mit der Angststörung, im wahrsten Sinne zu einer Angsthäsin. Die einzig normalen scheinen die Pfleger zu sein. Doch die Pfleger der Nachtschicht werden von den anderen Patienten nicht umsonst Herzkönigin und Herzbube genannt. Hätte der alte Klinikarzt dem neuen doch nie freie Hand gelassen. Alles strebt der unausweichlichen Katastrophe entgegen.
Die Aufführungen sind am Samstag, 4. November, 15.30 Uhr und 19.30 Uhr, und am Sonntag, 5. November, 15.30 Uhr, je im Albert-Stohr-Haus in Friedberg; sowie am Sonntag, 10. Dezember, 15.30 Uhr in der Trinkkuranlage in Bad Nauheim. Die Veranstaltungsorte sind barrierefrei erreichbar. Karten können auf der Seite des Theaters (heldentheater. de) im Vorverkauf erworben werden.