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Angeklagter ohne erkennbares Mitgefühl

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Wetteraukreis (us). Ein Mann wird angeblich Zeuge eines Mords. Er ruft nicht die Polizei, sondern beseitigt lieber die Leiche. Wie er das getan hat, schildert er vor Gericht ohne jedes erkennbare Mitgefühl. Der 74. Verhandlungstag um einen »Mord ohne Leiche« ließ die Prozessbeteiligten am Gießener Landgericht einigermaßen fassungslos zurück.

Im Prozess um einen »Mord ohne Leiche« dürfte der gestrige Freitag für den hochbetagten Vater des Mordopfers der unerträglichste von mittlerweile 74 Verhandlungstagen gewesen sein. Seit April 2021 stehen Olaf C. und Robert S. wegen des Vorwurfs des gemeinschaftlichen Mords an Daniel M. vor der 5. großen Strafkammer des Landgerichts Gießen. Nun, zwei Jahre nach Prozessbeginn, hat Robert S. erstmals sein Schweigen gebrochen und sich den Fragen des Gerichts, der Staatsanwaltschaft, der Nebenklage und der Verteidiger seines Mitangeklagten gestellt. Mit der Tat will er nichts zu tun haben, aber er räumt ein, die Leiche zerstückelt und entsorgt zu haben. Wie er das getan hat, schilderte er vor Gericht in allen grausigen Einzelheiten.

Olaf C., der Lehrer aus Hanau, hat vor Gericht mehrfach ausführlich berichtet, dass Robert S. und Daniel M. auf einer Hofreite bei Hungen, die S. gehörte, einen Swingerclub aufziehen wollten. Bei einer Ortsbesichtigung am 17. November 2017 habe S. Daniel M. unvermittelt erschossen. Die Tat soll sich im Auto von S. ereignet haben, das zu diesem Zeitpunkt auf dem Hof stand.

S. erzählt die Geschichte anders. Von einem Swingerclub-Projekt könne nicht die Rede sein. Daniel, ein Jugendfreund von Olaf C., habe die Hofreite eventuell kaufen wollen. Auf der Fahrt Richtung Hungen zwecks Besichtigung habe es plötzlich einen Knall gegeben und Daniel sei auf dem Beifahrersitz zusammengesackt. Als er gestoppt und sich umgedreht habe, habe C. eine Pistole auf ihn gerichtet.

Mutter nachts alles erzählt

Ausführlich erläuterte der Angeklagte, wie er den toten Körper auf seiner Hofreite in einem Seitenraum deponiert, das Auto provisorisch gereinigt und Olaf C. danach wieder nach Hause gebracht hat. C. habe ihm zum Abschluss gedroht. »Wenn was rauskommt, ist das Leben, so wie du es kennst, zu Ende.« Als S. selbst in sein Elternhaus heimgekehrt war, hat er nach eigenen Aussagen kurz erwogen, die Polizei zu rufen. Aber seine Mutter, der er noch in der Nacht alles erzählte, habe ihn von dem Plan abgebracht. »Zum Glück«, wie der Mittvierziger, der seit rund drei Jahren in U-Haft sitzt, rückblickend sagt. »Ich persönlich will nicht freiwillig mit der Polizei in Kontakt treten«, sagte er. »Man wird automatisch zum Mittäter gemacht. So läuft das hier in Deutschland.«

Auf Nachfrage des Gerichts schilderte S., wie er den Leichnam zerstückelt und in Eimer einbetoniert und im Starnberger See versenkt habe. Die zwei Fahrten nach Bayern sollen nach Weihnachten 2016 und im Januar 2017 stattgefunden haben; in der Zwischenzeit will der Angeklagte die Eimer in einem Lagerhaus in Wiesbaden deponiert haben. Nein, auch mehrere Wochen nach der Tat habe es keinen Leichengeruch gegeben.

Nicht nur diese Schilderung stieß auf ungläubiges Staunen. Vor allem die Aussagen zur Beseitigung der Organe, die beim Öffnen des Körpers »einfach rausgefallen« seien, ließen Zweifel aufkommen. S. behauptet, dass das Zerstückeln des Körpers nicht das Schlimmste gewesen sei. »Nicht der Ekel ist das größte Problem, sondern die Angst, dass jeden Moment die Bullen kommen könnten.«

Auf seiner Hofreite hat S. einen Haufen blutbefleckter Kleider an sich genommen, die Olaf C. nach dem Mord angeblich dort zurückgelassen hat. Auf die Frage, wie genau das Blut darauf gekommen und warum seine eigene Kleidung sauber geblieben ist, hat S. keine schlüssige Antwort.

Dreieinhalb Jahre nach der Tat, im Frühjahr 2020, hat Olaf C. den Mord an Daniel M. bei der Polizei angezeigt. Robert S. hatte, wie er sagt, damit nicht gerechnet. »Er hatte die Tatwaffe, ich wusste, wo die Leiche ist. Wir hatten den Gleichstand des Schreckens.«

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