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»Angst und bange um Demokratie«

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Von: Gerhard Kollmer

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Markus Zydra, der in Bad Nauheim wohnt und als Finanzkorrespondent für die Süddeutsche Zeitung arbeitet, stellt in der Ovag-Hauptverwaltung sein Buch »Dreckiges Geld« vor. © Gerhard Kollmer

Friedberg (gk). Das Phänomen ist seit Langem bekannt und nimmt immer bedrohlichere Ausmaße an. Trotzdem wird noch immer viel zu wenig unternommen, um die damit verbundenen Gefahren für die demokratischen Länder unserer Erde erfolgreich bekämpfen zu können. Die Rede ist von der weltweiten »Geldwäsche«.

Markus Zydra, wohnhaft in Bad Nauheim und seit 2008 Finanzkorrespondent der Süddeutschen Zeitung, hat die erschreckenden Ergebnisse seiner jahrelangen Recherchen in dem - gemeinsam mit Andreas Frank geschriebenen - Buch »Dreckiges Geld - wie Putins Oligarchen, die Mafia und Terroristen die westliche Demokratie angreifen« am vergangenen Donnerstag in der Ovag-Hauptverwaltung vor vielen Besuchern vorgestellt. Germaine Stragies fungierte dabei als kundige Moderatorin.

100 Milliarden Euro jährlich gewaschen

Etwa drei Viertel der im Buch genannten, jedes Vorstellungsvermögen übersteigenden Zahlen, seien öffentlich bekannt, sagte Zydra. So würden in Deutschland nach seriösen Schätzungen jährlich etwa 100 Milliarden Euro schmutziges Geld gewaschen. Die Einnahmen des internationalen Verbrechens stammten vor allem aus dem Drogen- und Menschenhandel, aus Prostitution und Internetpornografie sowie Immobilienspekulation. Die digitalen Medien seien eine große Hilfe bei den kriminellen Machenschaften von Verbrechersyndikaten, Terroristen und autoritär-diktatorischer Staaten wie Russland und China.

An einem einfachen Testbeispiel demonstrierte Zydra, wie leicht Geldwäsche im Prinzip ist: Die Mutter seines Mitautors Andreas Frank besuchte mit einer großen Bargeldsumme die Baden-Badener Spielbank, um dafür Jetons einzutauschen. Nach der Herkunft des Geldes wurde sie nicht gefragt.

Stichwort Bargeld: In Deutschland ist es möglich, eine Immobilie im Wert von beispielsweise 500 000 Euro bar zu bezahlen - ohne Rechenschaft über die Herkunft des Geldes ablegen zu müssen. Auf Nachfrage beim ehemaligen Finanzminister Scholz erhielt Zydra die zynische Antwort, in Deutschland liebe man eben das Bargeld. Mit einem einfachen juristischen Mittel - der sogenannten Beweislastumkehr - würde das schmutzige Geschäft der Geldwäsche zumindest erschwert. Denn dann müsste bei einer Zahlung mit Bargeld ab einer bestimmten Summe nachgewiesen werden, dass es nicht aus kriminellen Geschäften stamme.

»Geld stinkt nicht«: Die berühmte Parole des römischen Kaisers Tiberius bringt zum Ausdruck, dass Geld »an sich« weder gut noch böse sei. Schmutzig oder sauber könne nur seine Herkunft sein. Es trägt, sagte Zydra, in jedem Fall zum Wirtschaftswachstum bei. Längst sei »dreckiges Geld« zu einem Mittel »hybrider« Kriegsführung geworden. Geheimdienste autoritärer Staaten nutzten es zur Destabilisierung der demokratischen Länder. Angesichts dieser Politisierung des internationalen Verbrechens sei ihm »angst und bange um unsere Demokratie«, sagte Zydra kürzlich im WZ-Interview.

Appell an westliche Politiker

Es sei unbegreiflich, wie dilettantisch nicht nur Deutschland auf diesen Frontalangriff reagiere. Auch der Sektor hochwertiger Immobilien werde immer stärker von Verbrecher-Syndikaten mit schmutzigem Geld kontrolliert. Häufig ist es unmöglich, erläuterte Zydra, den wahren Besitzer einer solchen Immobilie ausfindig zu machen. Nach seriösen Schätzungen hätten allein Putin und seine »verbrecherische Clique« Dutzende Milliarden schmutzigen Geldes beim Kauf von Immobilien und Luxusyachten gewaschen.

Am Ende seines aufrüttelnden, mit viel Beifall bedachten Vortrags, appellierte Zydra an die Politiker der westlichen Welt, dieser Gefahr endlich entschlossen zu begegnen.

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