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»Asylpolitik kann auch menschlicher zugehen«

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Lydia Katzenberger ist Pfarrvikarin in Karben. © Anna-Luisa Hortien

Friedberg/Karben (alh). Lydia Katzenberger ist Pfarrvikarin in der evangelischen Gesamtkirchengemeinde Karben. Parallel zum Theologiestudium hat sie Menschen auf der Flucht in der Hessischen Erstaufnahmeeinrichtung begleitet. Von den Begegnungen dort erzählt sie am Samstag, 12. November, in der Friedberger Stadtkirche bei einem Chormusik- und Erzählabend zum Thema Flucht und Ankommen.

An der »Refugee Law Clinic« der Justus-Liebig-Universität Gießen hat Katzenberger neben dem Theologiestudium eine Ausbildung im praktischen Asyl- und Ausländerrecht gemacht. Das führte sie in die Beratungsarbeit in der Hessischen Erstaufnahmeeinrichtung in Gießen. Dort werden Menschen untergebracht, die in Hessen ihr Asylverfahren durchlaufen.

Das evangelische Dekanat Gießen betreibt dort die Asylverfahrensberatung. »Die evangelische Kirche ermöglicht eine Beratungstätigkeit, die für viele Menschen existenziell wichtig ist«, erzählt Katzenberger. »Sprachbarrieren werden überwunden und über die Rechtslage - und damit die individuelle Situation - in Deutschland aufgeklärt.«

Vertrauen und Dankbarkeit

Bei ihrer Arbeit ist Katzenberger vielen Menschen begegnet, die ihre Geschichten mit ihr geteilt haben. »Ich habe erlebt, wie dankbar Menschen waren, dass wir sie beraten haben.«

Die Menschen hätten ihr innerhalb kürzester Zeit vieles anvertraut: »Sie haben mir von ihren Wünschen, ihren Hoffnungen und Ängsten erzählt. Von diesen intensiven Begegnungen fühle ich mich beschenkt und berührt«, erzählt Katzenberger.

»Ich habe in meinem Leben selten solch intensive Bekenntnisse zu Gott gehört, wie während meiner Arbeit in der Beratungsstelle. Ich bin beeindruckt von dem Mut und der Kraft, die viele Menschen auf der Flucht aufbringen.«

Katzenberger findet es wichtig, dass Kirche an solchen Orten wie der Erstaufnahme in Gießen präsent ist. »Wo wir als Gesellschaft schnell vorbeischauen, wo sich etwas am ›Rand‹ der Gesellschaft abspielt - genau da sollte Kirche präsent sein. «

Die Themen Flucht und Asyl sind und bleiben aktuell - die Unterbringungszahlen in der Hessischen Erstaufnahmeeinrichtung liegen im vierstelligen Bereich. Die Situation der Menschen dort vor Ort gerate allerdings manchmal in Vergessenheit. »Doch Migration und Fluchtbewegungen sind aktuell. Es wird sie weiter geben - die Frage ist und bleibt, wie Deutschland und die EU sich dazu verhalten und wie sie mit ihren eigenen Werten umgehen.«

Die schlechten Bedingungen in griechischen Flüchtlings-Camps, Pushbacks und Schiffe mit Geflüchteten, die nicht auf europäischem Boden anlegen dürfen: »Die Wut über diese Zustände ist groß«, sagt Katzenberger. »Und gleichzeitig glauben wir: Es geht auch anders. Wir können auch anders. Das haben wir zum Beispiel in diesem Jahr bei der Aufnahme und Unterbringung ukrainischer Menschen gesehen. Asylpolitik kann auch unbürokratischer und menschlicher zugehen - und sie sollte es auch.«

Die Idee zur Veranstaltung ist bereits vor drei Jahren entstanden. Friederike Monninger war zu dieser Zeit als Medizinerin auf Samos in Griechenland aktiv. Beide Frauen wollten sich von ihren Begegnungen erzählen. Dadurch entstand die Idee des »Wohin-Abends« im Austausch mit den musikalischen Elementen. Ein Vokalensemble um Mareike Hilbrig gründete sich, um die Abende mitzugestalten.

»Wir wollen erzählen, von Begegnungen, wie sie uns bereichern, berühren und verändern.« Von Begegnungen, die Hoffnung machen, allen politischen Widrigkeiten zum Trotz.

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