Aufgeflogen durch FBI-Informationen

Ein 27-Jähriger gibt vor dem Gießener Landgericht seinen umfangreichen Drogenhandel im Wetteraukreis zu. Dokumentiert wurden seine Geschäfte bei einer überwachten App vom US-Geheimdienst.
Wetteraukreis (zy). Es ist eine lange Liste an Straftaten in der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft, die beim Prozessauftakt am Mittwoch vor dem Gießener Landgericht verlesen worden ist. Nur wenig später gab sich der Angeklagte auch geständig. In 19 Fällen habe der 27-Jährige demnach im Zeitraum vom 18. Januar 2021 bis zum 22. August 2022 im Wetteraukreis mit kiloweise Kokain und Cannabis gehandelt. Er habe das getan, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Dabei seien etwa auf Parkplätzen, bei Tankstellen und Sportplätzen immer wieder vier- bis fünfstellige Beträge an den angeklagten Zwischenhändler gegangen. Für seine Vergehen fordert die Staatsanwaltschaft mehr als fünf Jahre Haft. Derzeit sitzt er in Untersuchungshaft in der JVA Gießen.
Drogen von »Walter White« erhalten
Laut eigenen Angaben handelte der 27-Jährige im Auftrag eines unbekannten Mannes, der sich in einer scheinbar verschlüsselten App »Walter White« nannte. Dieser Onlinename ist angelehnt an einen fiktiven Hersteller und Händler der Droge »Crystal Meth« aus der US-amerikanischen TV-Serie »Breaking Bad«. Was der Angeklagte und sein Auftraggeber lange Zeit nicht wussten: Die verschlüsselte App mit dem Namen »ANOM« (englische Abkürzung für »anonym«) wurde vom FBI betrieben und überwacht. Mit der App wurden viele Verbrecher weltweit überführt. Auch die Erkenntnisse über die vielen Drogen-Deals des Angeklagten wurden von den Amerikanern dokumentiert und mit ihren deutschen Kollegen geteilt.
Der 27-Jährige gab an, bei »Walter White« zunächst für den Eigenbedarf Drogen gekauft zu haben. Er habe derzeit circa 10 000 Euro Schulden bei dem unbekannten Mann - genau wisse er es jedoch nicht mehr. »Walter White« habe ihm mit einer Tätigkeit als Zwischenhändler von Drogen die Möglichkeit gegeben, seine Schulden abzubauen. Ein legales Jobangebot von »Walter White«, in einer Firma eines Bekannten, habe er ablehnen müssen, da es im Konflikt mit seiner Schulausbildung gestanden habe.
Auf Nachfrage des Vorsitzenden Richters Dr. Klaus Bergmann, wie das genau mit seinen Schulden war, nannte der Angeklagter als Beispiel einen Betrag von 15 600 Euro für drei Kilo Cannabis: Habe er diese von seinem Auftraggeber vorgegebene Summe von einem Kunden erlangen können, sei ein gewisser Betrag von seinen Schulden abgezogen worden. Habe er mehr als die 15 600 Euro erhalten, habe der Angeklagte das Plus behalten können oder die Schulden von 750 Euro für ein Smartphone an »Walter White« zurückzahlen können. Zunächst erhielt der 27-Jährige die Drogen zum Verkauf auf Kommission. Als jedoch die Rückzahlung der Schulden ausgeblieben sei, habe der Angeklagte zunächst Geld von seinen Kunden zu »Walter White« bringen müssen, dann erst habe er die Drogen herausgegeben, sagte der Angeklagte.
Cannabis für Eigenbedarf
Bei der Durchsuchung seiner Wohnung hat die Polizei zwei Handys, einen Laptop sowie kleinere Mengen Cannabis für den Eigenbedarf sichergestellt. Letzteres ist auch strafbar, weil der Mann für das Betäubungsmittel keine Verschreibung eines Arztes nachweisen kann. Bei seiner Verhaftung und der Wohnungsdurchsuchung habe sich der 27-Jährige kooperativ gezeigt, sagte ein Polizeibeamter vor Gericht aus, der ihn bei der Durchsuchung befragt hatte. Die Namen der Personen, mit denen der 27-Jährige seine Geschäfte getätigt hatte, wollte dieser jedoch nicht nennen.
Als Zeugen sagten beim Prozessauftakt mehrere Polizisten aus, die bei der Wohnungsdurchsuchung dabei waren. Zudem gab ein IT-Forensiker Auskunft über die Datenauswertung der ANOM-App. Der Prozess wird am kommenden Mittwoch fortgesetzt.