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Aus Bewegung werden Klänge: Ausgefeilte Technik begeistert in Friedberg

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Von: Coralie Soemer

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Erfinder Robert Wechsler (2. v. l.) stellt der Johann-Peter-Schäfer-Schule den »Motion Composer« zur Verfügung. Darüber freuen sich auch Schulleiterin Verena Trebels, ihr Stellvertreter Stephan Lux (l.) und Lehrer Thomas Loscher. © Nicole Merz

Der »Motion Composer« soll den sehbehinderten Schülern an der Johann- Peter-Schäfer-Schule in Friedberg helfen, körperliche Barrieren auf dem Weg zur eigenen Musikalität abzubauen.

Wie viele geniale Ideen zuvor, ist auch der Gedanke zum »Motion Composer« in der Badewanne entstanden. Nach seinem Geistesblitz vor knapp zwölf Jahren hat sich Robert Wechsler mit Ingenieuren und Künstlern zusammengesetzt und das Gerät entwickelt. Der »Motion Composer« ermittelt über Sensoren Bewegungen im Raum und kann diese in Töne und Musik umsetzen. Die Technik soll besonders Menschen mit Behinderungen zugute kommen und ihnen zu kreativem Ausdruck verhelfen.

Stephan Lux ist stellvertretender Schulleiter an der Johann-Peter-Schäfer-Schule in Friedberg. Er freut sich für die Schülerinnen und Schüler. Denn: »Die sind total begeistert von Musik. Das ist ihre Welt.«

Die Johann-Peter-Schäfer-Schule hat sich auf Kinder und Jugendliche mit Sehbehinderung spezialisiert. Manche von ihnen sind zudem weiter körperlich oder geistig eingeschränkt.

Auch Tiergeräusche sind möglich

Nun nehmen 16 Lehrerinnen und Lehrer an der Fortbildung zum Umgang mit dem »Motion Composer« teil. Einige berichten, dass sie gerne Musik in den Unterricht einbauen, beispielsweise beim Lernen des Einmaleins’ oder bei Eselsbrücken. Viele von ihnen spielen zudem selbst ein Instrument, mehr als die Hälfte kann Noten lesen. Stephan Lux sagt, als es im Stuhlkreis reihum geht: »Ich liebe Musik und Tanz.« Eine andere Lehrerin gesteht: »Ich bewege mich und singe gerne... aber schön ist es halt nicht.«

Auf Barfußschuhen schreitet Robert Wechsler anschließend durch den großen Raum und demonstriert die Technik. Der gelernte Tänzer scheut nicht davor zurück, auch die Tiergeräusche durch typische Bewegungen von Ente, Vogel und Co. zu untermalen. 20 verschiedene Tiergeräusche kann der »Motion Composer« abrufen, dazu eine Vielzahl an Instrumenten und elektrischen Klängen. Über die Tonhöhe und -länge entscheidet die jeweilige Körperbewegung vor dem Gerät.

Zum »Motion Composer« gehören ein kastenförmiges Gerät, ein Tablet und zwei Musikboxen. Einmal von links nach rechts geschritten, ähnelt der Klang einer schnellen Handbewegung über die Tasten eines Klaviers. Je nach Einstellung hört sich die Musik tonal oder melodisch an.

Menschen mit Trisomie 21 können sich besonders leicht in der Bewegung und in der Musik fallen lassen, sagt Robert Wechsler. Hingegen versuchten Personen im Autismus-Spektrum, eher die Musik durch ihre Bewegungen zu steuern. Wir alle würden mal mehr mal weniger intuitiv oder kontrolliert handeln, sagt der Choreograf. Wichtig sei es, beweglich zu bleiben. Kindern bräuchte man beispielsweise das Tanzen nicht beizubringen, sie hätten Rhythmus bereits im Blut. Robert Wechsler: »Wir sind alle Tänzer; und wir sind alle Musiker.« Tatsächlich seien Musik und Tanz tiefer im Gehirn verankert als die Bereiche für Wort und Schrift. Deshalb: »Ohne Musik und Tanz gäbe es kein abstraktes Denken und keine Kreativität.«

Hüpfend zu den hohen Tönen

Nun ist das Publikum an der Reihe. Zur Flöte schwingt sich eine Lehrerin vor dem »Motion Composer« auf und ab - eine harmonische Melodie ertönt, die Anderen sind begeistert. Auch Saxofon und Harfe kommen gut an. Lehrer Thomas Loscher freut sich bereits darauf, das Gerät in den kommenden Tagen in seinen Schulklassen auszuprobieren. Auch für Schulfeste und Musicals sei der »Motion Composer« eine schöne Ergänzung.

Dann erhöht Robert Wechsler den Schwierigkeitsgrad: »Ich werde alle Gesten ausschalten - außer Hüpfen.« Jemand raunt: »Jetzt muss gehüpft werden.« Aber auch das klappt, als eine mutige Person gefunden ist. Nach einer kleinen Vorführung gehen die meisten mit einem Lächeln im Gesicht zurück in die Gruppe.

Dabei müssen es nicht immer die großen Gesten sein, wie Robert Wechsler demonstriert, manchmal reicht bereits ein Wimpernschlag.

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