1. Startseite
  2. Region
  3. Wetteraukreis
  4. Friedberg

Barbershops und die »Grauzone«

Erstellt:

Von: Petra Ihm-Fahle

Kommentare

agl_Lena_Sterle1_191222_4c
Lena Sterle betreibt einen Friseursalon in Steinfurth. Im Interview mit der WZ spricht sie darüber, inwiefern Barbershops eine Konkurrenz für die Branche darstellen. © Petra Ihm-Fahle

Barbershops sprießen aus dem Boden. Sind es alles seriöse Salons oder ist etwas dran an einigen Vorbehalten gegenüber der Branche? Welche Rolle spielt der Meisterbrief? Ein Interview.

Auch Männer achten auf ihre Optik - wieso nicht mal zum Barbershop gehen? Oft sind es gepflegte Läden, die preiswert arbeiten, nicht selten betrieben durch türkische oder arabische Inhaber. Manche Barbershops stehen laut einigen Medienberichten aber als »Billig-Konkurrenz« in der Kritik der Handwerkerschaft. Angeblich fehle dem Inhaber bisweilen der Meistertitel, obwohl in seinem Salon nicht nur Bärte, sondern auch Haare geschnitten würden. Was sagt Lena Sterle aus Bad Nauheim-Steinfurth dazu, die Innungsobermeisterin der Wetterauer Friseure?

Frau Sterle, Friseure beklagen mitunter Konkurrenz durch Barbershops. Wie sehen Sie das als Innungsobermeisterin?

Für manche Friseure wird das sicher eine Konkurrenz sein, weil auch sie ihre Leistungen im niedrigen Preissegment anbieten. Aber für Friseure, die ihren Gästen viel Mehrwert bieten und sich im höheren Preissegment aufhalten, ist es definitiv keine Konkurrenz.

Was ist eigentlich ein Barbershop?

Im klassischen Sinn sind das reine Männersalons mit besonderem Augenmerk auf der Bartpflege und kosmetischen Behandlungen im Gesicht. In einigen Barbershops arbeiten tatsächlich nur Männer. Traditionell gab es früher schon die Trennung zwischen Herren- und Damensalons.

Wie kam der Trend des Barbershops auf?

Als der Bart wieder in Mode kam, beriefen sich viele auf das Konzept eines Barbershops. In den vergangenen Jahren sind sehr viele Barbershops aus dem Boden gesprießt. Die Nassrasur wurde in der klassischen Friseurausbildung der letzten Jahrzehnte wenig gelehrt, hierfür kann man spezielle Seminare belegen. Mittlerweile ist der Trend zum Bart wieder etwas rückläufig.

Kann »Mann« den Bart nicht selber schneiden?

Im Salon gestaltet der Stylist den Bart akkurat, schaut, ob er proportional und typgerecht zur Gesichtsform passt. Mit gewissen Formen kann man etwas optimieren oder auch verschlechtern.

Einige Friseure beklagen Probleme mit Barbershops. Wieso?

Für manche Kollegen sind Barbershops negativ behaftet, weil bei manchen das Preissegment sehr niedrig ist. Teilweise wird sehr gering entlohntes Personal beschäftigt oder jemand wird über Teilzeit angemeldet, arbeitet aber voll. Zumindest ist es das, was die Branche mitunter über Barbershops redet. Es trifft nicht auf alle zu, es gibt ganz tolle Barbershops, die auf sehr hohem Level arbeiten und dem Mann in einem »Männer-unter-sich-Rahmen« das »Rundum-Sorglos-Paket« bieten. Neben Bart- und Haarschnitt gibt es eine Gesichtsbehandlung und Entfernung der Haare in Nase und Ohren.

Wie ist es mit dem Meistertitel?

Um einen Frisiersalon zu eröffnen, braucht es einen Meistertitel. Schneidet ein Barbier auch Haare und nicht nur den Bart, braucht er den Gesellenbrief. Anscheinend gibt es eine Grauzone im Barber-Bereich - aber auch bei anderen Salons. In einigen dieser Fälle kann es sein, dass die Inhaber oder Betriebsleiter keinen Meistertitel haben oder nur pro forma jemanden als Meister anstellen, der teilweise nie vor Ort ist - und dass sie trotzdem Haare schneiden. Sie beschäftigen in diesen Einzelfällen vielleicht auch ungelernte Kräfte und halten eventuell die Hygienebestimmungen nicht ein. Haare dürfen in Deutschland nur mit einer abgeschlossenen Friseurausbildung geschnitten werden. Ich bin absolut dagegen, dass die oben genannten Zustände geduldet werden. Wir machen nicht umsonst eine dreijährige Ausbildung. In diesem Bereich sollte es viel mehr Kontrollen geben, leider ist dies aktuell nicht der Fall.

Passen sehr preiswerte Angebote nicht auch in die Zeit?

Man muss immer dahinter schauen: Möchte ich als Kunde unterstützen, dass jemand wenig Gehalt bekommt oder ich mit »billigen« Produkten behandelt werde? Wir haben einige Gäste in unserem Salon, die gehen lieber etwas seltener zum Friseur, aber dafür wissen sie, dass sie gute Qualität, eine entspannende Auszeit und Aufmerksamkeit erhalten.

Nachgehakt: Nicht alle über einen Kamm scheren

Mitunter vorgebrachte Vorwürfe gegen Barbershops getreu dem Motto »Die können nur so günstig sein, weil…« empfindet Matthias Schober von der Handwerkskammer Wiesbaden als etwas Diffuses. Er plädiert für eine differenzierte Sichtweise. Einerseits hält er es für richtig, Bedenken ernst zu nehmen, andererseits warnt er vor Stammtischparolen, die sich etwa an der Nationalität des türkischen oder arabischen Anbieters festmachen. Jeder sei frei in seiner Preisgestaltung - es sei nicht verboten, günstig zu sein. »Barbershop« ist laut Schober kein fest definierter Begriff. »Manche verstehen darunter einen Herrenfriseur und manche einen Betrieb, der ausschließlich Rasuren macht. Macht jemand tatsächlich nur Bärte, sagen wir als Handwerkskammer: ›Das ist kein Friseurhandwerk, da verlangen wir keine Meisterpflicht.‹« Andere wiederum hätten den Meister oder in begründeten Fällen eine Ausnahmeregelung und dürften somit auch Haare schneiden. Laut Schober gibt es aber Einzelfälle, bei denen jemand nach außen erklärt habe, nur Bartrasuren anzubieten, obwohl er ohne die erforderliche Berechtigung meisterpflichtige Dienstleistungen ausführe. »Irgendwann fällt so etwas auf, und dann gibt es eine Anzeige. Das war aber keine große Menge.« Nach Ansicht von Schober dürfte sich herumgesprochen haben, dass niemand eine Meisterpflicht umgehen kann. »Es ist im Übrigen keine Besonderheit, die es nur im Friseurhandwerk gibt, sondern das gibt es auch in anderen Gewerken.«

Matthias Schober ist bei der Handwerkskammer Wiesbaden Hauptabteilungsleiter für Organisation und Recht.

Auch interessant

Kommentare