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E-Commerce in der Wetterau: Welche Rolle das Internet für den Handel spielt

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Von: Christoph Agel

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Ava Kocher (2. v. l.) hat den mit 500 Euro dotierten Preis erhalten - neben ihm (v. l.): Matthias Hug und Oliver Löll von Körber und Dr. Christian Schulze, Professor für Wirtschaftsinformatik an der Technischen Hochschule Mittelhessen. © pv

E-Commerce kommt eine entscheidende Bedeutung zu. Ava Kocher hat dazu an der THM in Friedberg eine Masterarbeit verfasst. Die WZ hat mit ihm und einem weiteren Experten gesprochen.

Der Markt ist nicht mehr umkehrbar, er wird nicht mehr so sein, wie er mal war«, lautet die Quintessenz aus Ava Kochers Masterarbeit. Michael Brandl, Vorsitzender der Geschäftsführung des Bad Nauheimer Unternehmens Körber im Geschäftsfeld Supply Chain, sieht das ähnlich: »Dieses Rad dreht keiner mehr zurück.« Ihnen beiden geht es um E-Commerce, um den Internethandel - und um dessen Nutzen auch für stationäre Geschäfte etwa in den Innenstädten von Friedberg und Bad Nauheim.

Während der Corona-Pandemie konnte man auch in der Wetterau erleben, wie Geschäfte und Restaurants neue Wege suchten und fanden, um irgendwie durch die Krise zu kommen, während die Ladentüren geschlossen bleiben mussten. In diese Zeit fiel Kochers Masterarbeit mit dem Titel »E-Commerce-Lösungen für Unternehmensgründungen und stationären Einzelhandel«. Sie zählte zu den besten im Friedberger Studiengang Wirtschaftsinformatik an der THM. Körber hat Kochers Leistung mit einem Preis gewürdigt, der mit 500 Euro dotiert ist.

Unternehmen investieren in E-Commerce

Die WZ hat mit Kocher und Brandl darüber gesprochen, wie existenziell es für den stationären Handel ist, den digitalen Weg konsequent weiterzugehen. E-Commerce sei durch die Decke gegangen, sagt Brandl. Abgesehen von hochpreisigen Gütern wie beispielsweise Schmuck werden normale Konsumgüter Stück für Stück über das Internet vermarktet, prognostiziert er. Wolle man nur einen Artikel in der Stadt kaufen, müsse man womöglich Parkgebühren zahlen, im Internet könne man es schnell und ohne großen Aufwand bestellen. Finde man das gewünschte Hemd im Laden nicht in der richtigen Größe, so werde man im Internet fündig. Selbst Kunden, die zuvor nicht so sehr online eingekauft hätten, seien ins Netz abgewandert. Und die Unternehmen? »Alle, die bereits in E-Commerce investiert haben, investieren weiter, rüsten auf. Die, die es noch nicht getan haben, investieren.«

Energiekosten als ein Argument

»Die Hürde ist groß«, gibt Ava Kocher zu bedenken. Viele kleinere Unternehmen hätten Probleme gehabt, beim E-Commerce in die Offensive zu gehen. Es habe das Wissen gefehlt. »Man muss seine Fähigkeiten richtig einschätzen«, macht der 34-Jährige deutlich. Schaffe man es selbst nicht, die Digitalisierung voranzutreiben, könne man sich einen Experten ins Boot holen. Der Aufwand lohne sich: Habe man einen Laden in der Innenstadt und einen Online-Shop, sei man zudem in Social-Media-Kanälen unterwegs, dann könne man deutlich mehr Kunden erreichen. Cross- und Omnichannel lauten die Schlagworte, also in mehreren oder allen möglichen Kanälen präsent sein.

Man müsse zwei- oder dreigleisig fahren, pflichtet ihm Brandl bei und unterstreicht dies mit zwei Begriffen: Energiekosten und Fachkräftemangel. Den Laden mollig warm zu halten, koste mehr Geld als früher, und wegen des Fachkräftemangels könnten Arbeitnehmer heutzutage ein höheres Gehalt verlangen. Soll heißen: In Zeiten, in denen es für den Geschäftsinhaber teurer wird, muss er sich breiter aufstellen, um seine Waren besser zu vermarkten und auf diese Weise mehr Geld einzunehmen.

Amazon ein Thema

Brandl warnt davor, E-Commerce unüberlegt anzugehen. »Wenn ich 20 Klicks brauche, bis ich zum Einkaufen komme, dann gehe ich lieber zu Amazon«, sagt er. Stichwort Amazon: Als kleiner Händler kann man über diesen riesigen »Marktplatz« seine Produkte anbieten, spielt dabei aber nach den Regeln des Internet-Giganten. Kocher formuliert es so: »Amazon will kundenfreundlich sein und nicht verkäuferfreundlich.« Deshalb sein Rat: »Man muss auch irgendwann den Absprung von Amazon schaffen.«

Städte haben in der Corona-Pandemie einiges getan, um den lokalen Handel zu stärken, doch Brandl würde sich eine kommunenübergreifende Plattform wünschen. »Es müsste Amazon für den regionalen Handel geben«, sagt er. Ein Portal, auf dem man das gewünschte Produkt zum Beispiel in Bad Nauheim und einem Umkreis von 20 Kilometern suchen könne.

Bei all den düsteren Prognosen und den vermeintlichen und tatsächlichen Hürden macht Ava Kocher Mut: Der Schritt in die digitale Welt sei zwar mit großem Aufwand verbunden, danach aber werde es leichter. Seine Masterarbeit kann da vielleicht weiterhelfen. »Für mich war es wichtig, was zu schaffen, was Mehrwert hat, nicht nur für mich, sondern auch für andere Menschen.«

Die Geschichte mit dem Gewürzregal

Während Ava Kocher an seiner Masterarbeit »E-Commerce-Lösungen für Unternehmensgründungen und stationären Einzelhandel« gesessen hat, ist ihm eine Idee gekommen, die direkt mit dem Thema zusammenhängt. Er gründete ein Unternehmen, das Bambusprodukte vermarktet. Nun kann er die Theorie aus der Masterarbeit in der Praxis anwenden. Auf die Idee kam der Mainzer, der erst in Hamburg studierte und dann den Master in Friedberg machte, durch einen Zufall: Während seines Umzugs suchte er nach einem Gewürzregal, fand aber keins, was ihm gefiel. Die Idee war geboren.

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