»Denkanstoß«: Bücherschrank wird vorerst abgeriegelt

Eine gute Idee: Gebrauchte Bücher finden über ausgediente Telefonzellen neue Leserinnen und Leser. Doch die Bücherzelle auf dem Friedberger Europaplatz dient auch als eine Art Papiertonne.
Warum sollen Bücher in Regalen verstauben, wenn andere Leute sie gerne lesen würden, aber nicht das Geld haben, um sie zu kaufen? Aus diesem Gedanken heraus - und angeregt durch Kunstaktionen - entstand in den 1990er-Jahren die Idee der öffentlichen Bücherschränke. Es waren gewissermaßen sortimentsbezogene Vorläufer der Umsonstläden, die sich ein nachhaltigeres Leben auf ihre Fahnen geschrieben haben: Man muss nicht gleich alles wegwerfen, vieles kann man mehrfach verwenden.
Auch in der Wetterau gibt es mittlerweile an vielen Orten Bücherschränke. Sie sind stille Treffpunkte von Leseratten und Bücherwürmern, die wissen: Hier kann man mitunter einen guten Fund machen. In der ausgedienten roten Telefonzelle auf dem Friedberger Europaplatz, einst ein Geschenk des ehemaligen britischen Partnerkreises, warteten schon hochwertige Klassikerausgaben auf Leser. Bei vielen Büchern handelt es sich um Unterhaltungsromane, leichte Lektüre, aber auch Fachbücher zur Elektrotechnik oder Anleitungen zum Basteln von Weihnachtsgestecken fanden sich schon. Für viele Friedberger ist die Telefonzelle eine Art literarischer Kaffeeautomat, in den man noch nicht einmal Geld einwerfen muss. Man kann aber auch selbst Bücher dort lassen, und damit beginnt das aktuelle Problem.
Der Friedberger Bücherschrank wird von der FDP-Fraktion im Stadtparlament betreut. Die liberalen Buchverschenker und -verteiler hatten in der Vergangenheit mehrfach Diebstähle zu beklagen. Nachdem die Regale aufgefüllt worden waren, waren sie am anderen Morgen leer; offenbar hatte ein Flohmarkthändler seine Bestände aufgefüllt. Nachts wurden Autos gesehen, Bücher in großen Mengen wurden weggefahren.
Momentan gibt es ein ganz anderes Problem, es gibt zu viele Bücher. Wiederholt hat jemand kistenweise Bücher in der Telefonzelle abgeladen, zuletzt so viele, dass sich die Bücher am Boden stapelten und man die Telefonzelle nicht mehr betreten konnte.
Den Dachboden entrümpelt?
Der Anblick erinnert eher an einen Altpapiercontainer als an ein kostenloses Angebot von Lesestoff. »Bei den letzten zwei Anlieferungen war viel Schund dabei, auch lose Blätter«, erzählt Stadtrat Siggi Köppl, der den Bücherschrank zusammen mit seinen FDP-Kollegen immer wieder neu bestückt. Die nicht gewünschten Anlieferungen sorgen bei den ehrenamtlichen Helfernfür Arbeit und Ärger. »Da hat jemand seinen Dachboden komplett ausgeräumt«, vermutet Köppl. Da dies definitiv nicht der Zweck des Bücherschranks ist, wurde der Bauhof angewiesen, ihn für einige Tage abzuriegeln. »Als Denkanstoß«, sagt Köppl.