1. Startseite
  2. Region
  3. Wetteraukreis
  4. Friedberg

»Eigentlich alles ganz einfach«

Erstellt:

Von: Gerhard Kollmer

Kommentare

koe_Schubertgk_140323_4c
Prof. Peter Schubert hat das komplexe Thema anschaulich erklärt. © Gerhard Kollmer

Friedberg (gk). In einem kenntnisreichen 75-minütigen Vortrag referierte Prof. Peter Schubert bei »Kultur auf der Spur« über Minimalismus in der Kunst. So einfach, wie es der - ironische - Titel seines Referats suggeriert, ist die komplexe Thematik freilich nicht.

Anhand eines im hiesigen Wetteraumuseum ausgestellten bei Rockenberg gefundenen fünf Zentimeter langen jungsteinzeitlichen Idols wies der Referent auf den »pars pro toto«-Charakter als eines der Hauptmerkmale minimalistischer Kunst hin. Der Schöpfer des archaischen Figürchens beschränkt sich auf das Wesentliche eines menschlichen Körpers unter gänzlichem Verzicht auf »naturalistische« Details. Die naive Annahme, in so ferner Zeit sei das künstlerische Können eben noch rudimentär gewesen, geht in die Irre.

Nächstes Beispiel für ein minimalistisches Bildwerk war Albrecht Dürers Holzschnitt »Das Martyrium der heiligen Katharina« aus dem Jahr 1498. Der berühmte Gelehrte Erasmus von Rotterdam hat diesen Holzschnitt wegen seiner Reduktion aufs Wesentliche gelobt. Nimmt die brutale Ermordung Katharinas (sie wird gerädert) den Vordergrund des Bildes ein, so wirkt der Bildhintergrund merkwürdig leer. Weder eine (idealisierte) Landschaft noch irgendwelche Genreszenen sind zu sehen.

Die Kunst des Barock hingegen ist geprägt vom »Horror Vacui« - der »Angst vor der Leere«. Bildwerke sind bis zur Überfülle mit (Heiligen-)Figuren ausgestattet und zeugen von der »ecclesia triumphans«. Sie sollen den Betrachter oder die Betrachterin in Staunen versetzen, ja ihn oder sie überwältigen. Nach einem großen Sprung über rund 400 Jahre hinweg präsentierte der Referent eine 1922 entstandene Aktzeichnung Pablo Picassos. Hier dominiert die reine Linie.

Barnett Newmans großformatiges Bild mit dem Titel »Who’s afraid of red?«, zeigt die Farbe Rot in feinen Abstufungen. Erst nach längerem Ansehen erkennt dies der Betrachter. Er kann sich kopfschüttelnd abwenden oder fasziniert vor dem Werk verharren.

»Flaschentrockner« wird zur Kunst

Marcel Duchamps »Flaschentrockner«, ein sogenannter ready made bzw. »objet trouvé« - ein Objekt aus der Arbeitswelt, keine vom Künstler geschaffene Plastik beziehungsweise Skulptur - bricht mit dem Mythos des Künstlers als genialem Schöpfer unsterblicher Werke. Auch dieses Werk zeugt, wie Prof. Schubert erläuterte, von Minimalismus ganz eigener Art.

In einem kurzen Exkurs kam der Referent auf die Kunstauffassung des altgriechischen Philosophen Platon zu sprechen. Bekanntlich war für diesen die gesamte Welt ein unvollkommenes, weil vergängliches Abbild der ewigen Ideen. Deshalb konnte er der Kunst, die dieses Abbild noch einmal abbildet, kaum Wert beimessen.

Zu fragen bleibt jedoch, so Schubert, nach dem Verweischarakter solch - in Platons Augen - unvollkommener Kunst.

Kasimir Malewitsch ist mit seinem 1912 entstandenen Bild »Schwarzes Quadrat« in die Kunstgeschichte eingegangen - nicht zuletzt, weil er es als »Nullpunkt der Malerei« verstanden wissen wollte. Er habe, so Malewitsch, »die nackte Ikone meiner Zeit gemalt«.

Zusammen mit der Malerei ist hier auch der Minimalismus an seinem Nullpunkt angelangt. Malewitsch scheint sich mit seiner Provokation jedoch auf Dauer nicht wohlgefühlt zu haben, denn nach Ende des Ersten Weltkriegs beginnt er wieder gegenständlich zu malen - wenn auch auf Druck der sowjetischen Zensur.

Für seinen Gang durch die Kunstgeschichte am Leitfaden des Minimalismus erhielt Prof. Schubert viel Applaus.

Auch interessant

Kommentare