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Ein Abend der Superlative

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Julia und Christian Zielinski spielen »Tarantella«, was höchste Anforderungen an die Fingerfertigkeit der Interpreten stellt. © Gerhard Kollmer

Friedberg (gk). »Willkommen in der Sauna!« So begrüßten Julia und Christian Zielinski die am Samstagabend trotz hochsommerlicher Temperaturen in großer Zahl in den Saal der Musikschule gekommenen Gäste. Anlass war der Beginn der 11. Internationalen Friedberger Gitarrentage, den sie - als Gitarrenduo »Artis« durch zahlreiche Auftritte im In- und Ausland in der Gitarrenwelt bekannt - mit einem Konzert der Extraklasse zum besonderen Erlebnis werden ließen.

Optimales Zusammenwirken

Die erste Hälfte des »Artis«-Konzerts war zwei romantischen Kompositionen und einer Bearbeitung aus dem »Goldenen Zeitalter der Gitarre« (das bis etwa 1830 datiert werden kann) gewidmet. Bereits im einleitenden Allegro agitato aus dem Grand Duo Concertant op. 31, Nr. 3 des 1768 in Clermont-Ferrand geborenen Komponisten und Gitarristen Antoine de Lhoyer bewies das Duo seine souveräne Beherrschung der virtuosen Vorlage.

In traumwandlerischer Sicherheit und optimalem Zusammenwirken loteten Julia und Christian Zielinski alle Höhen und Tiefen des aufwühlenden Eingangssatzes aus. In der folgenden sehnsuchtsvollen Romance beeindruckte das Musikerpaar mit feinem Sensorium für jede noch so kleine Raffinesse. Ein wunderbarer Kontrast zum vorhergehenden Allegro! Auf das abschließende, virtuos dargebotene schnelle Rondo folgte langer Applaus.

Ludwig van Beethovens 1798/99 entstandenes Streichquartett op. 18, Nr. 5 in A-Dur erklang in einer Bearbeitung von Vincenz Schuster. Besonders das Andante cantabile D-Dur mit seinen fünf Variationen war eines von mehreren Highlights des Abends.

Wer die Beethoven’sche Vorlage mit Schusters Bearbeitung vergleicht, ist verblüfft, wie sehr sie den Geist des Originals atmet. Beide Gitarren schwingen sich zu orchestralem Zusammenklang auf. Großartig!

Caspar Joseph Mertz, 1806 in Preßburg/Bratislava geboren und 1856 nach schwerer Krankheit in Wien verstorben, ist letzter bedeutender Vertreter der (spät-)romantischen Gitarrenmusik. Seine Kompositionen im Geist der Klaviermusik eines Felix Mendelssohn oder Robert Schumann sind der Schwanengesang des goldenen Zeitalters der Gitarre. Nur durch intensive Unterrichtstätigkeit konnte Mertz den Lebensunterhalt für sich und seine Frau sichern.

Aus dem reichhaltigen Repertoire des zu Unrecht Vergessenen erklangen vier kontrastreiche, lautmalerische Stücke. Besonders die verträumte »Barcarole« und die furiose, höchste Anforderungen an die Fingerfertigkeit der Interpreten stellende »Tarantella« erhielten den verdienten begeisterten Applaus vor der Pause.

Der zweite Konzertteil war Werken des 20. Jahrhunderts gewidmet. Der 1895 in Florenz geborene Mario Castelnuovo-Tedesco emigrierte aufgrund seiner jüdischen Abstammung 1939 aus dem faschistischen Italien in die USA, wo er 1968 verstarb.

Das Multitalent schrieb unter anderem mehr als 200 Filmmusiken und sechs Opern. Seine Komposition »Les Guitares bien tempérées« (Die wohltemperierten Gitarren, op. 199) ist ein Glanzstück ihres Genres und zählt zum Standardrepertoire eines jeden Gitarrenvirtuosen. Die beiden Präludien mit Fuge aus diesem Werk bot das »Artis«-Duo auf höchstem Niveau dar.

Nach Bearbeitungen aus H. W. Henzes Oper »Minette« und einer Elegie von Jean-Yves Daniel-Lesur endete der umjubelte Gitarrenabend mit Dusan Bogdanovic’ (geb. 1955 in Belgrad) großartiger »Sonata Fantasia«. Hier werden Jazz, Klassik, Balkan-Musik und afrikanische Rhythmen zu einer einzigartigen Klangsprache verwoben. Das extrem kontrastreiche, perkussive Stück stellt höchste Anforderungen an die Interpreten. Julia und Christian Zielinski sind ihnen voll gerecht geworden.

Erst nach drei Zugaben durfte das Duo »Artis« den Saal verlassen.

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