Ein paar Liter Wasser kehren zurück zur Niddaquelle

Am Aufwand gemessen, hätten sich am Samstag mindestens 1000 Radler auf den Weg von Frankfurt und Bad Vilbel zur Niddaquelle machen müssen. Doch der Wasserlauf fand viel weniger Teilnehmer als erhofft. Die Organisatoren ließen sich nicht entmutigen.
Eine Demo hat es im Vereinsleben der Vogelsberger Ski & Sport-Freunde noch nie gegeben. Normalerweise machen die Frauen und Männer aus Mücke dienstags und mittwochs Radausflüge. Im Winter stehen sie auf Alpin-Ski. Doch am Samstag stiegen die Sportfreunde um 7.30 Uhr in den Bus nach Frankfurt, im Anhänger ihre Mountainbikes. Mit Ansprachen und Chormusik wurden sie am Nidda-Unterlauf empfangen. Sie bekamen weiße Warnwesten und große blaue Aufkleber. »Wir tragen das Wasser von Frankfurt zurück in den Vogelsberg« lautete das Motto des seit Monaten von gut 20 Naturschutzverbänden, dem Verein Oberhessen und der Stadt Schotten organisierten Wasserlaufs.
Der sportliche Event hat einen ernsten Hintergrund. Der Umgang mit dem Trinkwasser aus dem Vogelsberg muss sich stark verändern, fordert das Bündnis. Die Menschen und Betriebe im Raum Frankfurt sollen mehr Wasser aus der eigenen Region nutzen. Derzeit bezieht die Stadt Frankfurt rund ein Drittel ihres Trinkwasserbedarfs über Fernwasserleitungen aus dem Vogelsberg. Für alle gelte: Wasser sei zu knapp, um damit Autos zu waschen, Rasen zu nässen oder Pools zu füllen. Zu viele Menschen täten trotz der aktuellen Trockenheit so, als sei das Trinkwasser unbegrenzt verfügbar. Hans Otto Wack vom Umweltbüro Schotten: »Abends springen die Gardena-Automaten an und bewässern das Rhein-Main-Gebiet.« Die privaten Pools seien voll. Der Pro-Kopf-Verbrauch steige auf gut 250 Liter pro Tag, klagt er.
Appelle ans Rhein-Main-Gebiet
Im Winter ist laut Bernhard Klug von der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald ein Pro-Kopf-Trinkwasser-Verbrauch von knapp über 100 Litern normal - in Frankfurt liege er bei 152 Litern. Das müsse sich ändern. Klug forderte u. a. eine Pflicht zur Installation von Zisternen und Toilettenspülungen mit Brauch- oder Regenwasser. Das Trinkwasser aus Vogelsberg und Mittelhessen dürften die Frankfurter nicht mehr zur Wässerung ihrer Grünanlagen verschwenden.
Das Frankfurter Rohrnetz sei löchriger als anderswo, ergänzte Cécile Hahn von der Schutzgemeinschaft Vogelsberg. So gingen dort jährlich 3,14 Millionen Kubikmeter verloren - etwa 20 Prozent der Wassermenge, die die Frankfurter von der Ovag beziehen.
»Wir befinden uns schon seit 2003 in der längsten Trockenperiode der Neuzeit«, mahnte auch Ovag-Vorstandschef Joachim Arnold bei einem Treffen mit den Bad Vilbeler Naturfreunden.
Nidda-Wasser übergeben
2021 habe die Ovag weniger Trinkwasser als in den Vorjahren an die Privathaushalte und Betriebe zwischen Frankfurt und Alsfeld liefern können. Die jährliche Fördermenge sank laut Arnold in den sieben Wetterauer und mittelhessischen Fördergebieten und im einzigen Vogelsberger Brunnen Rainrod auf 29,2 Millionen Kubikmeter. Zusätzlich bezog die Ovag 3,9 Millionen Kubikmeter vom Zweckverband Mittelhessischer Wasserwerke, um den Frankfurter Ballungsraum versorgen zu können.
Die Ovag drosselt laut Arnold die Pumpen, sobald sich der Grundwasserpegel dem Minimalwert von 145 Metern über dem Meeresspiegel nähert. An vielen Messstellen werde er intensiv beobachtet. In wenigen Jahrzehnten könnten die Regenfälle nicht mehr für den Nachschub aus den Wasserhähnen reichen. Der Ovag-Vorsitzende unterstützt die Forderung von Naturschutzverbänden, hessenweit mit einer neuen Abgabe auf Grundwasser-Entnahmen (»Wassercent«) den Bau von Rückhaltebecken und Systemen zur Brauchwassernutzung zu finanzieren.
Später als erwartet erreichten die Sport- und Skifreunde Mücke und einige Mitradler aus der Wetterau und Frankfurt am Samstagmittag die NABU-Station in Assenheim. An der Mündung der Wetter in die Nidda trank man etwas, ruhte sich kurz aus. Und wer dort die Tour beendete, übergab das in Plastikflaschen mitgebrachte Nidda-Wasser an die etwa 60 Leute, die weiter auf dem Radweg zur Quelle fuhren, um es dorthin zurückzubringen.
INFO: REGIONALE AUFGABE
Schottens Bürgermeisterin Susanne Schaab sprach bei der zentralen Kundgebung des Wasserlaufs am Nidda-Stausee von einer großartigen Veranstaltung. Der Protest sei eine regionale und fachübergreifende Aufgabe. Mit dem Abpumpen des Grundwassers aus dem Vogelsberg könne es so nicht weitergehen. »Wir in Oberhessen sind uns einig, aber wir müssen die Menschen im Rhein-Main-Gebiet erreichen.« Ein weiterer Missstand sei der »Fluss des Geldes«. Frankfurt erwirtschafte aus den Beteiligungen an Mainova und Hessenwasser viele Millionen Euro. »Das Wasser in Frankfurt ist billig.« Die Menschen dort sollten bereit sein, mehr Geld dafür zu bezahlen. sw
