Eine Fülle des Wohlklangs

Friedberg (gk). Wieder einmal konnten die Programmplaner des Theaters Altes Hallenbad hochkarätige Musiker für einen Auftritt gewinnen. Unter dem märchenhaften Motto »Es war einmal« beeindruckten Dirk Niewöhner, Vorspieler der Bratschen im HR-Sinfonieorchester, Magdalena Faust als Stellvertretende Solo-Klarinettistin im selben Ensemble, sowie die Pianistin Maria Ollikainen (sie betreut die Orchesterakademien des Rundfunkorchesters) die am Samstagabend zahlreich im Kesselhaus erschienenen Hörerinnen und Hörer mit der kongenialen Wiedergabe dreier Werke für Klarinette und Viola mit Klavierbegleitung.
Max Bruch: Der Nichtfachmann kennt von seinen Werken vielleicht das berühmte g-Moll-Violinkonzert. Dass er neben diesem Opus magnum auch andere hörenswerte Stücke schuf, zeigten die drei Musiker eingangs mit der Interpretation von dreien seiner »Acht Stücke«, op. 83, aus dem Geist der Spätromantik. Gewidmet war der 1909 in Bonn uraufgeführte Zyklus Bruchs Sohn Max Felix, einem angesehenen Klarinettisten. Es dauert nur wenige Minuten, bis die Hörenden vom weichen sonoren Klang und dem harmonischen Zusammenspiel von Klarinette und Viola »auf Augenhöhe« fasziniert sind. Dirk Niewöhner und Magdalena Faust erweisen sich als ideale Besetzung für die Interpretation von Bruchs elegisch-traumverlorenen Stücken - vor allem im »Nachtgesang«. Ein herrliches Klarinettensolo trägt hier zur Steigerung des Wohlbefindens bei. Ohne die solide - eigenständige - Unterstützung des Duos durch Maria Ollikainen am Flügel wäre dies kaum möglich gewesen.
Unüberbietbarer Kontrast
Und dann, welch unüberbietbarer Kontrast! Zu erleben sind die »Fünf Stücke im Märchenton« des zeitgenössischen Komponisten Jörg Widmann aus dem Jahr 2015. Den im ersten Stück »Es war einmal« angestimmten märchenhaften Melodien folgt die exotische »Fata Morgana« mit ihren morgenländischen Weisen. Spätestens jetzt wird es unüberhörbar, dass hier ein avantgardistisches Werk par excellence zu Gehör kommt, das mit unkonventionellen Mitteln in einen Zauberwald aus fremdartigen Klängen entführen will. Eine extreme technische Anforderung an die Interpreten stellt das dritte Stück des Zyklus unter dem sprechenden Namen »Die Eishöhle« dar. Hier wächst Maria Ollikainen am Piano förmlich über sich hinaus. Rasend schnelle Läufe über mehrere Oktaven überziehen den Hörer mit einem wahren Dissonanzen-Gewitter. Der halsbrecherische Weg vom Ton zum puren Geräusch wird u. a. durch das »Anreißen« der Klaviersaiten eingeschlagen. Auch Bratsche und Klarinette haben in der »Eishöhle« nur eine Aufgabe: den Hörenden das Blut in den Adern gefrieren zu lassen.
Die Interpreten geben alles denkbar Mögliche. Für diese Meisterleistung werden sie mit Ovationen in die wohlverdiente Pause entlassen.
Johannes Brahms, der sein Streichquintett G-Dur von 1890 zu seinem letzten Werk erklärt hatte, lässt sich anderthalb Jahre später - inspiriert durch Richard Mühlfeld, den virtuosen Soloklarinettisten der Meininger Hofkapelle - zur Komposition seines Trios a-Moll, op. 114 für Klarinette, Violoncello und Klavier bewegen. Damit schenkt er der Musikwelt ein bewegendes Spätwerk, das am 12. Dezember 1891 mit Mühlfeld an der Klarinette und Brahms am Klavier seine Uraufführung erfährt.
Für die Aufführung im Kesselhaus des Alten Hallenbads hatte Niewöhner das ursprünglich von Brahms vorgesehene Violoncello durch die Viola ersetzt - was sich als guter Einfall erwies. Denn die Bratsche kann die abgeklärt-wehmütige Stimmung von Abschied und Entsagung, die im Trio fast übermächtig wird, vielleicht noch intensiver evozieren als das Cello.
Magdalena Faust und Dirk Niewöhner finden noch einmal auf höchstem Niveau zusammen. Mit verhaltener Leidenschaft lassen sie das Trio ausklingen. Augenblicken stiller Ergriffenheit folgt minutenlanger Beifall für den exzellenten Auftritt. FOTO: KOLLMER