Eine musikalische Wundertüte

Friedberg (har). Folkmusic mit Volksmusik zu über- oder gar gleichzusetzen, ist schlichtweg falsch. Moderne Folkmusik ist vielfältig und bedient sich auch Elementen der populären Musik, vom Jazz über den Blues bis hin zum Rock.
Genau diesem Genre hat sich seit zehn Jahren das Duo »Romie« mit Jule Heidmann und Paula Stenger verschrieben. Inzwischen treten die beiden Musikerinnen aus dem Rhein-Main-Gebiet auch mit Band auf und haben im Jahre 2020 ihre erste CD »Trust in the you of Now« veröffentlicht.
Bei ihrem Gastspiel am Samstagabend im ausverkauften Kesselhaus des Theaters Altes Hallenbad hatten die beiden Vollblutmusikerinnen Schlagzeuger Max Pfreimer dabei. Der entpuppte sich jedoch nicht nur als hervorragender Begleiter der beiden Frauen, sondern als »musikalische Wundertüte«, wie Jule Heidemann im Verlauf des Konzerts feststellte.
Tatsächlich begeisterten alle drei mit ständig wechselnder Instrumentierung, die schon vor Konzertbeginn von den Besuchern bestaunt wurde: Zwei Akustik- und eine E-Gitarre, Kontra- und E-Bass, eine Ukulele und das Schlagzeug sowie das geöffnete Klavier, das zur Grundausstattung der Bühne zählt.
A cappella begann das Trio seinen Auftritt und schon da war klar, dass nicht nur die beiden Musikerinnen über hervorragende ausgebildete Stimmen verfügen. »Max kam mit seiner Engelsstimme irgendwann zu uns geflogen«, meinte Paula Stenger und ihre Duo-Partnerin fügte hinzu: »Er ist halt ein Engel.«
Mit ihren überwiegend gefühlvollen Eigenkompositionen, wie »I’ve forgotten« oder »34 Cigarettes« nutzt das Trio die ursprünglichen Elemente der Folkmusic, um diese in modernem Gewand fortzuschreiben. Dank E-Bass und E-Gitarre sowie dem passenden, nie zu lauten Schlagzeugspiel, sind Blues- oder Popeinflüsse spürbar.
Und dann spielt das Trio einige wenige Coversongs, »die einfach geschrieben und doch perfekt sind«, wie es Paula Stenger formuliert. Dazuzählt »Just play« des schwedischen Singer-Songwriters Daniel Norgren oder »Trouble« des US-amerikanischen Folkrockers Ray LaMontagne, bei dem Pfreimer, der in Butzbach aufgewachsen ist, den Solopart singt, während die beiden Frauen als Background-Sängerinnen brillieren.
Und dann waren da noch zwei bekannte Songs, die für »Romie« von besonderer Bedeutung sind. Zunächst war es der Anti-Kriegs-Song »Sag mir, wo die Blumen sind.« »Es ist uns ein besonderes Anliegen, dieses Lied zu singen«, sagt Stenger, Heidmann ergänzt: »Dieses Lied ist gruselig aktuell geworden.«
Eine Überraschung gelang dem Trio mit seiner Version des John-Lennon-Klassikers »Don’t let me down«, bei dem Pfreimer wieder als Sänger überzeugte. »Den Song haben wir für ein John-Lennon- Tribute-Konzert in Frankfurt ausgewählt«, erzählen die beiden Musikerinnen, die sich als Irland-Fans outen. »Die irische Musik inspiriert uns immer wieder aufs Neue«, erklärt Paula Stenger, und in klassischer »Folk-Instrumentierung« mit Kontrabass und zwei Akustikgitarren sind bei Eigenkompositionen wie »Rosewood Man« irische Einflüsse hörbar.
Im zweiten Programmteil spielt Max Pfrümmer auch mal Akustikgitarre. Paula Stenger setzt sich ans Klavier, um ihre Mitstreiter bei einer brandneuen Komposition zu begleiten. Im Verlauf des Konzerts suchen alle drei immer wieder den Kontakt zu den Besuchern, die sich bei den Coversongs als stimmgewaltiger Chor entpuppten.
So werfen die drei ihre geplanten Zugaben kurzerhand über den Haufen, spielen zunächst mit dem fröhlichen »All the Times« einen echten Ohrwurm mit einem eingängigen Refrain, den die Besucher lautstark mitsingen. Es folgt Leonard Cohens »Halleluja«, »weil ihr ja so toll und so gerne singt«, so Paula Stenger. Da sich die Besucher etwas »Deutsches« wünschen, folgt mit »An die Nacht« die einzige Eigenkomposition mit deutschem Text.
So endet ein inspirierender Abend, der den Besuchern genauso viel Spaß gemacht hat, wie dem Trio auf der Bühne, das seinem Publikum zurückapplaudiert. »Das Konzert mit euch in dieser tollen Atmosphäre werden wir sicher nicht so schnell vergessen«, meint Heidmann. Die Besucher fühlen genauso.
Marco Tschirpke ist der nächste Künstler, der im Alten Hallenbad auftreten wird. Mit seinem Programm »Dichten bis ich Dresche kriege: Lapsuslieder und politische Lyrik« ist er am Samstag, 18. März, um 19.30 Uhr auf der Bühne zu erleben.