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„Impflinge fehlen“: Wetterauer Amtsarzt über örtliche Corona-Lage und Omikron-Gefahr

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Von: red Redaktion

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Auf den Piks muss man zurzeit nicht lange warten: »Jeder kann sehr kurzfristig in unserem Impfzentrum einen Termin bekommen«, sagt Amtsarzt Dr. Reinhold Merbs.
Auf den Piks muss man zurzeit nicht lange warten: »Jeder kann sehr kurzfristig in unserem Impfzentrum einen Termin bekommen«, sagt Amtsarzt Dr. Reinhold Merbs. © DPA Deutsche Presseagentur

Noch im Dezember standen die Wetterauer in langen Schlangen, um einen Booster-Termin zu ergattern. Kaum sind die Feiertage vorbei, sinkt die Nachfrage. Und es drohen ablaufende Impfstoffe.

Wetteraukreis - Der Umgang mit der Omikron-Variante führt in Politik und Medien zu Diskussionen. Wie wird in der Wetterau mit der Virus-Variante umgegangen, und wie läuft die örtliche Boosterkampagne? Der Wetterauer Amtsarzt Dr. Reinhold Merbs hat Antworten.

Impfstoffversorgung - Zur aktuellen Versorgung mit Impfstoff im Wetteraukreis sagt Merbs, dass insbesondere der Impfstoff von BioNTech nur in geringen Mengen ausgeliefert werde. Das Gesundheitsamt habe in den letzten drei Wochen nur zwei Prozent der bestellten Menge über die Lieferapotheke erhalten. Ähnlich schwierig sei die Situation bei den Haus- und Fachärzten. Trotzdem sei es bislang gelungen, über das Reservekonzept ausreichend Impfstoff zur Verfügung zu haben.

Impfangebot - Die schwierige Situation bei der Lieferung des Impfstoffs habe keine Auswirkung auf die Vergabe von Impfterminen, sagt Merbs. Die Vorgaben des Landes an das Gesundheitsamt, 2,5 Prozent der Bevölkerung pro Woche ein Impfangebot zu machen, würden erfüllt. Es sei kein Problem, 7700 Angebote pro Woche zu unterbreiten. Derzeit könne man täglich 1500 Wetterauer in den Zentren impfen. Doch das Problem sei ein anderes: »Es fehlen die Impflinge.« Wer einen Impftermin suche, bekomme derzeit längstens innerhalb von drei Tagen einen Termin.

Sinkende Nachfrage - Bis zum 3. Januar seien alle angebotenen Termine ausgebucht gewesen, doch einen Tag später sei die Nachfrage im zentralen Impfzentrum in Wölfersheim deutlich zurückgegangen, sagt Merbs. In den nächsten Tage könnten durch die geringe Nachfrage etwa 30 Prozent der Kapazitäten ausgenutzt werden. »Wir haben eine sehr diskontinuierliche Nachfrage. Das kann sich allerdings in wenigen Tagen schon wieder völlig ändern.« Dies bedeute zusätzlich hohen Aufwand für die Vorhaltung der Termine bei bescheidenen Impfraten. Merbs weiter: »Dies ist unwirtschaftlich und kostet unser aller Geld.« Wenn nur ein Bruchteil der Impfangebote wahrgenommen werde, könne es zum Verfall von Impfstoff kommen. Doch dies versuche das Gesundheitsamt, mit allen Mitteln zu verhindern.

Haltbarkeit - Die mRNA-Impfstoffe sind nach dem Auftauen für 30 Tage im Kühlschrank lagerfähig. Doch sie würden in der Regel nur kurzfristig lagerfähig ausgeliefert. So verbringe der Impfstoff meist die ersten 14 Tage beim Großhandel, erklärt Merbs. »Derzeit verwenden wir verschiedene Chargen mit jeweils wenigen Tagen Restlaufzeit, weil wir von anderen Impfzentren Impfstoff übernehmen, der dort nicht mehr im Zeitfenster verbraucht werden kann. Das macht es zu einem logistischen Puzzlespiel.«

Omikron-Tests? - Obwohl im Falle einer Infektion mit der Omikron-Variante andere Quarantäneregeln gelten (s. u.) als bei der Delta-Variante, werde nicht jeder PCR-Test auf Omikron untersucht. »Es wird nach wie vor eher wenig routinemäßig sequenziert in Deutschland. Wir können in begründeten Verdachtsfällen die Sequenzierung zwar veranlassen, bekommen aber erst Tage später ein Ergebnis. Bei Ausbruchsgeschehen werden exemplarisch einzelne Proben untersucht und die Folgeansteckungen dann der gefundenen Variante zugeordnet«, erläutert Merbs. Daher ergebe sich der Verdacht, dass wir aktuell schon weit höhere Omikron-Anteile am Infektionsgeschehen haben. Der Anteil könne bereits bei 50 Prozent liegen.

Quarantäne-Regeln - Bei einem positiven PCR-Test teile das Gesundheitsamt den Betroffenen das Ergebnis mit. Und das bedeutet für diejenigen: »Sie müssen für die nächsten 14 Tage in Quarantäne. Nach fünf Tagen kann man sich, sofern asymptomatisch und vollständig geimpft, per PCR-Test und nach sieben Tagen per Schnelltest frei testen«, sagt Merbs. Die Kontaktpersonen zu den Delta-Infizierten müssen gar nicht mehr in Quarantäne, sofern sie geimpft oder genesen sind.

Omikron-Sonderregeln - Wird das Gesundheitsamt von den Laboren informiert, dass der Verdacht auf Omikron besteht, gelten neue Regeln. Dies sei für gewöhnlich drei Tage nach dem positiven Testergebnis der Fall, sagt Merbs. Die Erkrankten können sich dann nicht mehr freitesten, und von da an müssen auch die Kontaktpersonen - egal ob geimpft oder genesen - in Quarantäne. Die Betroffenen zeigten häufig Unverständnis, wenn nach drei Tagen die zuvor getroffenen Ansagen verschärft würden.

Kontaktnachverfolgung - Die Nachverschärfungen für Omikron erschwerten zudem die Kontaktnachverfolgung, denn das Verwaltungsprozedere müsse erneut aufgerollt werden, erläutert Merbs. »Zudem waren die betroffenen Kontaktpersonen vorher schon drei Tage nicht in Quarantäne, sondern haben ganz normal am Leben teilgenommen.« Für sie sei das eine einschneidende Maßnahme, auch wirke es nicht gerade professionell, wenn das Gesundheitsamt erst die eine Information gebe und dann drei Tage später mit einer anderen weiterreichenden nachkomme.

Lockerungen? - Die Diskussionen um Lockerungen bezeichnet Merbs als eine Gratwanderung. Wolle man infektiologisch etwas erreichen, müsse man Kontakte massiv beschränken. Lockere man, gehe das Leben mit weniger Einschränkungen weiter, aber die Belastungen für unser Gesundheitssystem könnten steigen, sagt der Amtsarzt.

Verläufe mit Omikron - Omikron scheine zwar höher ansteckend als alle Varianten zuvor, mache aber nach derzeitigen Kenntnisstand eher weniger schwere Verläufe, sagt Merbs. »Wer genesen oder geimpft ist, am besten geboostert, hat maximal vorgesorgt. Jetzt noch weiter auf Abstand, Maskenpflicht und Kontaktvermeidung achten. Damit sollten wir durchkommen können.«

Dr. Reinhold Merbs Amtsarzt Wetteraukreis
Dr. Reinhold Merbs Amtsarzt Wetteraukreis © pv

Entwicklung der Impfangebote im Wetteraukreis

Im November hat das Gesundheitsamt begonnen, die Impfangebote der Haus- und Fachärzte im Wetteraukreis durch eigene Angebote zu unterstützen. Man habe mit Hilfe der Impfdaten aus dem ersten Halbjahr 2021 gewusst, dass im Dezember und Januar bei vielen Menschen die Grundimmunisierung sechs Monate zurückliege. Die daraus resultierende Nachfrage nach Booster-Impfungen hätten die niedergelassenen Ärzte nicht mehr allein bedienen können. Gleichzeitig seien durch die geänderten Rahmenbedingungen - Boostern schon nach drei Monaten - noch mehr Menschen auf der Suche nach einem zeitnahen Termin gewesen. Amtsarzt Dr. Merbs resümiert: »Gemeinsam haben wir in den Kalenderwochen 48 bis 52 circa 96 500 Impfungen durchgeführt, zwei Drittel davon die niedergelassenen Ärzte.« Dies sei auch im hessenweiten Vergleich beachtenswert.

Infos zu aktuellen Corona-Zahlen und Impfangeboten im Wetteraukreis gibt es hier.

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