Fürs Wetterau-Museum gilt: Zukunft braucht Herkunft

Museen sorgen für den Überblick. Im Wetterau-Museum in Friedberg erlaubt ein Architekturmodell, die Innenstadt quasi aus der Vogelperspektive zu betrachten.
Was wird aus dem Joh? Das fragt sich ganz Friedberg. Die Werkmann-Gruppe hat ihre Pläne für einen Wohn- und Geschäftskomplex vorgestellt; zuvor hatte die Friedberger Architektin Dilan Vural ihr Modell präsentiert, das Ergebnis ihrer Masterarbeit an der TU München (diese Zeitung berichtete). Um stadtplanerische Aspekte zu berücksichtigen, entwarf sie ein 3 D-Modell, das an der Uni Düsseldorf im Fräsverfahren hergestellt wurde. Das Wetterau-Museum hat das Modell gekauft, präsentiert es im Obergeschoss in einer kleinen, informativen Ausstellung.
Was ein Museum ausmacht, das sind einmalige Exponate, »die es nur hier zu bewundern gibt«, sagte Museumsleiter Johannes Kögler bei der Vorstellung des »Exponats des Monats«. 20 Interessierte waren gekommen, darunter Bürgermeister Dirk Antkowiak und Santina Poetsch, neue Leiterin des Amtes für soziale und kulturelle Dienste. Unter dem (englischen) Titel »Die Kaufhäuser geben den Löffel ab« hat Dilan Vural untersucht, wie man die oft klotzigen Gebäude weiternutzen kann, wie sich die Funktion mit der Lage in der Stadtmitte in Einklang bringen lässt, wie man städteplanerische Ziele verknüpft.
Blick von oben auf die Innenstadt
»Zukunft braucht Herkunft«, sagte Vural und plädierte für nachhaltiges Bauen anstelle eines Abrisses. Vural berichtete auch vom Herstellungsprozess des Modells im Maßstab 1:500. Das Joh-Gebäude darin lässt sich durch einen Bauklotz mit ihrem Entwurf ersetzen. Das Werkmann-Modell einzufügen, lehnt sie ab. Aber ist ihr Modell, wie ein Bürger anmerkte, nicht genauso wie das Werkmann-Modell höher als der Gebäudebestand? Schon entspann sich unter den Besuchern eine städtebauliche Diskussion, das Modell erfüllt also seine Funktion.
Zum Internationalen Museumstag hatten sich Kögler und seine Mitarbeiterin Anna-Mala Kolaß weitere Aktionen ausgedacht. Im Hof und im Museum selbst konnten Kinder an Tischen basteln oder sie unternahmen eine Tour durch die Ausstellung auf der Suche nach Fabeltieren. Da das Wetterau-Museum einer Wunderkammer gleicht, ist das nicht nur für Kinder lohnenswert. Wussten Sie, dass die letzte in der Burg geprägte Münze den Burgbrunnen zeigt und der Drache, den der Heilige Georg dort aufspießt, dem Löwen von Hessen-Darmstadt ähnelt? Die Burgherren lagen mit Hessen-Darmstadt im Clinch. Heute würde man von einem »Prank« reden, die haben die Landesherren veräppelt!
Im Asterix-Album »Die Tochter des Vercingetorix« trägt die Hauptfigur Adrenaline, Tochter des Gallier-Häuptlings Vercingetorix, einen Wendelring. Er löst die Handlung aus, die Römer wollen den schraubenförmig gedrehten Halsring aus Bronze stehlen. Im Wetterau-Museum kann ein solcher Wendelring bewundert werden, gefunden in Schöneck-Büdesheim. Es fehlt nur das Asterix-Heft in der Vitrine, das darauf hinweist.
Wehrhafte Krieger aus der Wetterau
Wo man auch hinschaut: überall aufregende Funde. Ein Mahlstein aus der Eisenzeit (450 v. Chr., gefunden in Friedberg-Fauerbach) zeigt, wie mühsam es früher war, Mehl zu zerreiben und Essen zuzubereiten. Es gibt jungsteinzeitliche Tierfiguren und ein »Taschenmesser« aus Nieder-Mörlen, dessen Klinge mit Birkenpech befestigt wurde. Hier liegen bronzene Pinzetten, mit denen die Kelten Körperpflege betrieben, dort Pfeilspitzen, die veranschaulichen, dass vor 3200 Jahren in Ockstadt wehrhafte Wetterauer lebten; Streitigkeiten wurden mit dem Bronzeschwert ausgefochten.
Man kann noch tiefer in die Menschheitsgeschichte einsteigen, bis zum Frühmenschen Homo erectus, der erstmals Feuer nutzte und Faustkeile als Werkzeuge benutze. Was man sonst nur aus dem Fernsehen kennt, liegt im Wetterau-Museum in den Vitrinen: Bis zu 500 000 Jahre alte Faustkeile, gefunden auf einem Acker in der nördlichen Wetterau. Wenn man davor steht, kurz innehält und drüber nachdenkt, ist es ein erhebender Moment, solche Relikte der Menschheitsgeschichte bestaunen zu dürfen.
Umbaupläne sollen jetz verwirklicht werden
Das Wetterau-Museum in Friedberg ist selbst museal geworden. Die Ausstellung hat sich überlebt, ist nicht mehr zeitgemäß. Das wird etwa in der Landwirtschaftsausstellung deutlich. Wer wissen will, wie früher in der Wetterau die Äcker bestellt wurden, wird hier umfassend interessiert. Nur: Es fehlen die Besucher. Niemand liest mehr seitenlange Erläuterungen, die auch nicht besonders lesefreundlich gesetzt sind. Und warum läuft nicht wenigstens die Dreschmaschine elektrisch? Das wäre ein Hingucker, meinte Bürgermeister Antkowiak beim Gang vorbei an Dreschflegen und Traktoren. Die Ausstellung »Von der Sichel zur Dreschmaschine« wirkt wie ein schwarzes Loch. Vor Corona kamen laut Museumsleiter Johannes Kögler jährlich rund 5000 Besucher. Das soll und muss mehr werden. Wo sich heute die Landwirtschaftsausstellung befindet, soll ein Café Gäste anlocken. Die Fenster zum Stadtkirchenplatz werden geöffnet, alles soll freundlicher, heller, moderner werden. Eine ISEK-Zukunftswerkstatt beschäftigte sich 2018 mit dem Vorhaben. Dann kam Corona, »und es war kein Architektenbüro für diese Aufgabe zu finden«, erklärt Antkowiak die Verzögerung. Jetzt sind die Ausschreibungen raus, Ende des Jahres sollen die Entwürfe der beteiligten Planungsbüros vorliegen. Danach muss die Stadtverordnetenversammlung über die notwendige Renovierung samt Brandschutz und die Neukonzeption des Hauses entscheiden. »Es soll ein zeitgemäßes Museum werden«, sagt Anktowiak.