Gießener Gewerkschafter tritt für SPD bei Landtagswahl in der Wetterau an

Die SPD in der südlichen Wetterau hat nun ihren Direktkandidaten für die Landtagswahl. Mit 30 von 33 Stimmen hoben die Delegierten den 53-jährigen Gewerkschafter Matthias Körner aus Gießen auf den Schild. Er sprach frei - auch was ihn persönlich anbelangt.
Der neue Hoffnungsträger der SPD für die Landtagswahl im Wahlkreis 25 ist groß und hat dichte schwarze Haare, in denen erste graue Fäden auftauchen. Dort oben bewahrt er die Lesebrille auf, wenn er nicht auf seine Spickzettel schaut. Das Ablesen dauerte am Montagabend im Vereinsheim des SC Dortelweil stets nur Sekunden. Denn Matthias Körner ist geübt darin, frei zu sprechen und maßvoll zu gestikulieren.
Der Gewerkschaftsrat hatte den jungenhaft und kommunikationsfreudig wirkenden Mann der Wetterauer SPD als Herausforderer des langjährigen CDU-Landtagsabgeordneten Tobias Utter angetragen. Denn Mirjam Fuhrmann, die 2018 noch antrat, will es nicht mehr. Sie sei mit dem SPD-Fraktionsvorsitz in Bad Vilbel und ihrem Familienleben reichlich ausgelastet, sagt sie auf Nachfrage.
Der Neue, den etliche Delegierte am Montag zum ersten Mal sahen, stammt aus Kassel. Er machte mit 16 Jahren eine Lehre zum Maschinenschlosser, schaffte dann bei der Bahn als Rangierfacharbeiter und »Hemmschuhleger«. Nachdem er gewerkschaftliches Engagement zeigte, kam er zum Studium an die Akademie der Arbeit nach Frankfurt. Danach landete Körner in der Verwaltung der Eisenbahnergewerkschaft. Seit 2006 ist er beim DGB Hessen-Thüringen für Kampagnen und politische Strategien verantwortlich. Er verdient sein Brot als Regionalgeschäftsführer des 6000 Mitglieder zählenden DGB Mittelhessen - zu dem die Wetterau nicht gehört. Körner leitete lange den SPD-Unterbezirk Gießen und sitzt dort im Kreistag.
Bei der Dortelweiler Bewerbungsrede sparte Körner auch seine große Krise nicht aus. 2017 strebte er in den Bundestag - und scheiterte. Kurz danach bekam der dreifache Vater gesundheitliche Probleme, die sein ganzes Leben in Frage stellten. Er kämpfte sich heraus. Am Montag erzählte er, selbst ein wenig verwundert, dass es ihm gelang, das Sportprogramm durchzuhalten, nicht mehr zu rauchen und dauerhaft 15 Kilo weniger zu wiegen. Nicht so optimal, dass die Wetterauer Sozialdemokraten dem frisch gewählten Direktkandidaten dann ausgerechnet ein in Zellophan gehülltes Fresspaket aus einer renommierten Metzgerei überreichten.
Was will Körner? Er fasst es in vier D-Wörtern zusammen: Bei der Digitalisierung sei genau zu prüfen, welche Dinge automatisiert werden sollen. Demokratie - wichtig sei, die Menschen in den Diskurs zurückzuholen, die sich abgewandt haben. Und Dekarbonisierung: Die Hessen sollten wieder Speerspitze werden - auch dabei, nur noch erneuerbare Energien zu nutzen.
Zur Demografie meinte Körner: Man müsse sich mehr bemühen, junge Leute zu qualifizieren. Die tiefgreifenden Umwälzungen in der Berufswelt müsse die Politik aktiver begleiten. Dazu gehöre auch das Einstehen für die Beschäftigten der großen kriselnden Betriebe - wie etwa Conti in Karben. Das mache auch Spaß. »Bis heute fühle ich mich nirgends so lebendig wie morgens um fünf im Arbeitskampf.«
Apropos Kampf: Die Lieferung von Kampfpanzern an die Ukraine sei »unter vielen Scheiß-Möglichkeiten die beste«, bekannte Körner. »Aber es befremdet mich, wenn man darüber in Jubel ausbricht.« Beifall aus dem Plenum.
Die SPD-Kandidaten
Matthias Körner will für die SPD im Wahlkreis 25 Wetterau I am 8. Oktober in den Landtag gewählt werden. In Bad Vilbel, Karben, Rosbach, Niddatal, Friedberg und Wöllstadt erhielten CDU und Grüne bisher deutlich mehr Stimmen. Körner hofft daher auf einen guten Landeslistenplatz - der ab Juni bestimmt wird. Für den Fall, dass Körner ausfällt, wählten die Delegierten Nora Zado aus Karben zur Ersatzkandidatin. Die 32-Jährige ist Mitbegründerin der
Antifa-BI und forscht momentan als Doktorandin im Demokratiezentrum an der Marburger Uni. Im Wahlkreis 26 im Wetterauer Osten hat die SPD die Landtagsabgeordnete und Unterbezirksvorsitzende Lisa Gnadl aus Glauburg schon als Direktkandidatin bestätigt. Aus der nördlichen Wetterau (Wahlkreis 27) strebt die 1986 geborene Anne Thomas in den Landtag. Die Büroleiterin der Bundestagsabgeordneten Natalie Pawlik ist daheim in Butzbach Ortsvorsteherin und SPD-Vorsitzende. nik