Heidelinde Obermanns Spielzeug von früher: Bleibende Werke des Vaters

Die Friedbergerin Heidelinde Obermann besitzt einmalige Spielsachen aus ihrer Kindheit, allesamt hergestellt von ihrem Vater. Diese besonderen Stücke sind bis heute in bestem Zustand erhalten.
Beim Betreten des Hauses von Heidelinde und Wolfgang Obermann im Friedberger Westen fühlt man sich fast in ein Museum versetzt. »Wir beide sind eine Familie von Sammlern«, sagt die Ehefrau lachend beim Blick auf viele Sammelfiguren, die blau angemalte Puppenküche und eine Puppenwiege auf dem Wohnzimmertisch.
»Das Ganze hat eine Vorgeschichte«, sagt die Friedbergerin, deren Familie aus der Nähe von Teplitz-Schonau in Nord-Böhmen, rund 30 Kilometer von Dresden entfernt, stammt. Ihr Vater, Dr. Reinhold Müller, musste als Soldat in den Krieg und geriet in britische Gefangenschaft. Zurück in seine alte Heimat durfte er nicht, und seine Frau mit den drei Kindern - Heidelinde Obermann hat noch zwei drei und sieben Jahre ältere Brüder - wurden im März 1946 von Tschechen vertrieben.
»Wir wurden Ockstadt zugewiesen, und unser Vater kam einen Monat später dazu«, erzählt Obermann, die damals gerade zwei Jahre alt gewesen ist. Ihr Vater, ein gelernter Volksschullehrer, musste vor dem Krieg den Hof der Eltern übernehmen, da sein älterer Bruder verstorben war. Daher studierte er bei Kriegsausbruch Landwirtschaft. Das Studium beendete er mit zwei Semestern in Gießen.
Um seine Familie zu ernähren, arbeitete er zunächst für die Frankfurter Kunstfirma Schlägel und bemalte in Heimarbeit aus Sperrholz hergestellte Rohlinge mit »typisch deutschen« Motiven, die bei den amerikanischen Soldaten sehr beliebt waren.
Tierfiguren aus Bierkisten-Holz
»Mein Vater konnte sehr gut malen und war auch handwerklich sehr begabt«, sagt Heidelinde Obermann. »Und hier beginnt die eigentliche Geschichte meines Spielzeugs.« Spielzeug kaufen war in den ersten Nachkriegsjahren nicht möglich. »Wir waren wirklich arm und hatten nicht viel.« So sammelte der Vater die Bierkisten der Amerikaner ein, sie waren aus leichtem Sperrholz. »Die Amerikaner warfen die Kisten einfach weg, und so lagen sie damals überall rum«, erinnert sich Obermann, die auch noch eine Bierflasche aus amerikanischer Produktion mit der Aufschrift »No Return« - keine Rückgabe - besitzt.
Mit einer Laubsäge sägte ihr Vater zusammen mit Obermanns älteren Brüdern Tierfiguren aus und bemalte diese mit viel Liebe zum Detail. Eine ganze Kiste dieser Tiere besitzt die Friedbergerin noch heute; sie baut auf dem Tisch Giraffen, Zebras, Löwen, Elefanten und andere Tiere auf.
Für seine kleine Tochter bastelte der Vater eine Puppenküche, wobei er eine Garnrolle als Tischbein nutzte. Obermanns Lieblingsstück ist - neben der Puppenküche - eine Puppenwiege, an deren Stirnseite ihr Vater ein Herz gemalt und darin das Herstellungsjahr »1947« verewigt hat. Dreht man die Wiege herum, dann erkennt man das Bodenmaterial: Es handelt sich um Pappmaschee aus den USA.
Das älteste Stück in Obermanns Spielzeugsammlung ist jedoch eine Puppe vom bekannten Hersteller Schildkröt, eine der noch existierenden ältesten Puppenmanufakturen der Welt. Die Puppe bekam Obermann von Friedel Reuter geschenkt. Die Freundin der Familie arbeitete als Hauswirtschafterin in der Friedberger Landwirtschaftsschule, wo ihr Vater nach seinem Studium eine Anstellung gefunden hatte.
Wohl erste Puppe mit Armprothese
»Friedel war unsere gute Fee«, sagt Obermann. »Das kleine Heidelindchen braucht doch eine Puppe«, hatte Reuter gesagt, die bei einem Landwirt eine Puppe entdeckt hatte, bei der eine Hand und ein Stück Unterarm fehlten. Diese Teile ließ sie von einem Bekannten schnitzen, und so hatte die kleine Heidelinde die wohl erste Puppe mit Armprothese. Das passende Puppenkleid nähte die Hauswirtschafterin selbst.
Wie alt die Puppe ist, kann Obermann nicht genau sagen. »Ich habe recherchiert. Schildkröt hat dieses Puppenmodell ab 1928 produziert«, weiß Obermann, die abschließend noch von der großen Weihnachtskrippe erzählt, die ihr Vater samt allen Figuren gebaut und gebastelt hat. Auch dieses Prachtstück existiert noch. »Mein Bruder in Darmstadt stellt sie jedes Jahr auf, und die ganze Familie samt seinen Enkeln freut sich darüber.«
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