Im Dienst des lebenslangen Lernens

Friedberg (gk). Im Beisein von Bürgermeister Dirk Antkowiak sowie Joachim Albert und Lothar Kreutzer als Leiter des Kunst- und Geschichtsvereins Friedberg fand am vergangenen Sonntag im Bibliothekszentrum Klosterbau eine stimmungsvolle literarisch-musikalische Soirée anlässlich des 150-jährigen Bestehens des Volksbildungsvereins Friedberg (seit 2007 unter dem Logo »Kultur auf der Spur«) statt.
In seiner kurzen Ansprache gab Friedbergs Stadtoberhaupt einen kurzen Abriss der Geschichte des Vereins mit seinem neuen Leiter Moritz Herrmann.
Aus den Lesesälen für jedermann in den Gründerjahren nach 1872 erwuchs bereits 1875 eine der ältesten öffentlichen Büchereien im Deutschen Kaiserreich. Die enge Kooperation von Volksbildungsverein und Stadtbibliothek im Dienst des lebenslangen Lernens ist, erläuterte Antkowiak, das Geheimnis einer 150-jährigen Erfolgsgeschichte.
Moritz Herrmann hat sich darüber hinaus ein vertieftes Zusammenwirken mit Geschichts- und Kunstverein zum Ziel gesetzt. Davon zeugt bereits die am Samstag eröffnete Mitgliederausstellung des Kunstvereins mit Werken zum Thema »Minimalismus« - dem Motto des Herbst/Winter-Vortragszyklus' von »Kultur auf der Spur« ( die WZ berichtete ).
In jüngere Hände
Antkowiak hob das 36-jährige engagierte Wirken von Ursula Stock als Vereinsvorsitzende hervor. Dass die Leitung von »Kultur auf der Spur« in jüngere Hände gelegt werden konnte, sei beste Voraussetzung für weiteres erfolgreiches Wirken des Vereins.
Matthias Herrmann - langjähriger gern gehörter Rezitator mit breitem Themenspektrum - verlieh gemeinsam mit dem Jazz-Duo Vincent Rocher-Don Hein dem Abend mit seinem Vortrag kundig ausgewählter Lyrik von Goethe bis Reiner Kunze sein besonderes Gepräge.
»Es schlug mein Herz, geschwind zu Pferde! Es war getan fast eh gedacht. Der Abend wiegte schon die Erde, Und an den Bergen hing die Nacht. Schon stand im Nebelkleid die Eiche, ein aufgetürmter Riese, da, wo Finsternis aus dem Gesträuche mit hundert schwarzen Augen sah.«
Die spätere Fassung von Goethes 1771 entstandenem Gedicht »Willkommen und Abschied« stand am Beginn von Matthias Herrmanns beeindruckender Liebeslyrik-Rezitation.
Friedrich Hölderlin, der Goethe vergeblich um einen Beweis seiner Gunst bat, ist Verfasser der Ode mit dem Titel »Die Liebe« (entstanden 1800):
»Wenn ihr Freunde vergesst, wenn ihr die Euern all, O ihr Dankbaren, sie, euere Dichter schmäht, Gott vergeb’ es, doch ehret nur die Seele der Liebenden.« Welch gewaltiger stilistischer Unterschied der beiden Texte, die der Rezitator aufeinanderfolgen ließ.
Vincent Rocher an der Gitarre und Kontrabassist Don Hein stellten sich mit Titeln des schwedischen Esbjörn-Svensson-Trios und weiteren anspruchsvollen Nummern aus dem Jazz-Swing-Bereich wie »Someday my prince will come« als ideale Begleitung Herrmanns heraus: Eine filigrane, nicht auftrumpfende, dafür umso intensivere Musik beeindruckte das Auditorium.
Kästner und Rilke
Aus dem Zyklus »Die Schöne Müllerin« von Wilhelm Müller erklang »Vom Wasser haben wir’s gelernt« und aus dem letzten Akt von »Faust I« das traurige »Nur wer die Sehnsucht kennt«. Der Reigen spannte sich dann weiter von Erich Kästners »Sachliche Romanze« bis hin zu Rainer Maria Rilkes wunderbarem »Liebes-Lied«.
Rocher und Hein verabschiedeten sich mit »Elevation of love«, einem meditativen Titel des Svensson-Trios. Mit Else Lasker Schüler, Marie Luise Kaschnitz und Nelly Sachs' bewegendem »Geschirmt sind die Liebenden« ließ Matthias Herrmann den Abend ausklingen.
Das Publikum spendete den drei Protagonisten verdienten Applaus.