Immer weniger Rinder in der Wetterau

Der Rinderbestand in der Wetterau geht seit Jahren zurück - und folgt damit einem deutschlandweiten Trend. Gründe dafür gibt es viele, wie Andrea Rahn-Farr vom Regionalbauernverband erklärt.
Die gute Nachricht für alle Fleischliebhaber zuerst: Zwar sinken bundesweit die Rinderbestände, aber die Versorgung mit Rindfleisch ist in der kommenden Grillsaison nicht gefährdet. Was nicht aus den heimischen Ställen oder von deutschen Weiden kommt, wird durch Importe abgefedert. Das muss auch so sein, denn was an Rindern verfügbar ist, hat Ende 2022 in Deutschland den niedrigsten Wert seit 2009 erreicht.
10 997 000 Milchkühe, Mastrinder, Zuchttiere, Mutterkühe oder Kälbchen wurden zum Stichtag 3. November 2022 in den Ställen und auf den Weiden von Flensburg bis Berchtesgaden gezählt. Das sind rund 43 000 weniger als ein Jahr zuvor. Im Wetteraukreis geht die Rinderhaltung ebenfalls zurück: Zum Stichtag wurden 16 851 Tiere gehalten, 682 weniger als im Jahr davor.
Gründe dafür gibt es laut Andrea Rahn-Farr viele. Die Vorsitzende des Regionalbauernverbands Wetterau-Frankfurt nennt unter anderem die hohe Arbeitsbelastung, vor allem in der Milchkuhhaltung, sowie fehlende Fach- und Arbeitskräfte. »Die Milchkuhhaltung ist unter den landwirtschaftlichen Betriebszweigen einer der arbeitsintensivsten und verlangt an 365 Tagen im Jahr nach Menschen, wie Herdenbetreuern und Melkern«, sagt Rahn-Farr, die selbst Milchkühe hält. Und auch nach Tierärzten mit Notfallversorgung, die im Großviehbereich immer seltener werden würden.
Zudem seien die Kosten für Stallbauten hoch, es gebe aber keine Planungssicherheit bei der Nutzungsdauer. Als Beispiel nennt Rahn-Farr Tierwohlställe mit mehr Platz und Auslauf: »Die kosten aktuell 15 000 bis 20 000 Euro je Kuhplatz.« Außerdem gebe es immer mehr Auflagen. Ein aktueles Beispiel: Kälber dürfen seit diesem Jahr erst mit 28 Tagen verkauft werden, statt mit 14. Ist es tragisch, wenn der Rinderbestand im Wetteraukreis sinkt? »Das hat weitreichende Konsequenzen für die Wertschöpfung und auch für die Biodiversität sowie die Kreislaufwirtschaft«, sagt Rahn-Farr. Das vor allem im östlichen und nördlichen Wetteraukreis vorhandene natürliche Grünland könne ohne die Rinder kaum noch verwertet werden. Diese machten aus dem Grünland, das nicht ackerfähig sei, wertvolle Nahrung für die Menschen.
Außerdem lieferten sie Dung in Form von Mist, Jauche und Gülle, der als organischer Dünger für Wiesen und Äcker sehr wertvoll sei. Es gebe deshalb ein Umwandlungsverbot von Grünland, es müsse also erhalten und dürfe nicht zu Ackerland umgewandelt werden. Auch müsse es gepflegt werden: »Dies geschieht am besten durch die Nutzung.«
Mist und Gülle der Rinder werden in den Biogasanlagen der Wetterau zu Biogas vergoren, die Nährstoffe aus den Gärresten kommen ebenfalls als organischer Dünger zurück auf Äcker und Wiesen, erläutert Rahn-Farr. »Dieser Nährstoffkreislauf ist damit fast geschlossen.«
Da Rinder auch in der Klimadebatte auftauchen (siehe Bericht unten), schreibt das Umweltbundesamt: »Daher sind im Bereich der Rinderhaltung Maßnahmen sinnvoll, die neben einer generellen Reduktion der Tierbestände zum Ziel haben, die Tiere verstärkt vom Grünland zu ernähren.« Rahn-Farr sagt dagegen, eine Reduktion der Tierbestände sollte in Hessen generell nicht angestrebt werden. Der Viehbesatz in Hessen liege bei circa 0,5 Großvieheinheiten pro Hektar, in der Wetterau bei etwa 0,3. »Das ist jetzt schon zu wenig, um eine Kreislaufwirtschaft zu betreiben.«
Kreislaufwirtschaft als Thema
Es müssten also synthetische Dünger zugekauft werden, außerdem kauften die Landwirte auch größere Mengen organische Nährstoffe aus anderen Gebieten zu. Prinzipiell sei es richtig, dass Tiere ohne größere Nahrungskonkurrenz zum Menschen gehalten werden sollten, sagt Rahn-Farr.
Dazu zähle die Ernährung vom Grünland, aber auch mit den Nebenprodukten der Nahrungsmittelherstellung. »Unsere Rinder fressen Biertreber, Pressschnitzel aus der Zuckerherstellung, Rapsextraktionsschrot, Stroh und auch nicht für die menschliche Ernährung geeignetes Getreide«, erläutert Rahn-Farr.
Für jedes Kilo vegane Nahrung würden etwa 4 Kilo Biomasse anfallen, die nur durch die Tiere verwertbar seien und als Fleisch und Milch ein »Upcycling«, eine Aufwertung, erfahren würden. FOTO: PM/GRAFIK: ZDS
