Intimitäten eines jungen Ehepaares

Friedberg (pm). Alle zwei Jahre initiiert HR2-Kultur den »Tag für die Literatur« und ruft zu Veranstaltungen mit regionalem Bezug auf. Friederike Herrmann, Inhaberin der Buchhandlung Bindernagel - die seit Jahrzehnten das kulturelle Leben Friedbergs mitprägt - griff zum Telefon und rief ihren Bruder, den Schauspieler Mathias Herrmann an, um sich abzustimmen:
Welchem der Friedberger Autoren widmen wir die Veranstaltung? Henry Benrath, Fritz Usinger, Andreas Maier? Die Wahl fiel auf Wolf Schmidt, der im Jahr 1950 ein kleines Büchlein mit dem Titel »Sie und Er« veröffentlichte. Es finden sich darin gesammelte Szenen einer Ehe, vergnügliche Kämpfe zwischen den Geschlechtern - herrliche Dialoge, Kabinettstückchen an Komik, Skurrilität und Abgründigkeit.
Gelächter und tosender Applaus
Und was dann am Sonntag im ausverkauften Central Studio an Literatur geboten wurde, bestätigte: die Wahl war gut! Die Zuschauer bedachten das Dargebotene mit schallendem Gelächter und tosendem Applaus.
Nicole Averkamp und Mathias Herrmann, auch im wirklichen Leben ein Ehepaar und als Vortragende immer einen Besuch wert, loteten ihre Figuren bis in die kleinsten Ecken mit Verve aus. Da wurde geliebt, gestritten, gegurrt, gelobt und geschimpft. Man vertrug sich, schwieg sich an, schenkte sich nichts, raufte sich zusammen und küsste sich zu guter Letzt. Was die beiden Schauspieler an Lebens- und Liebesvirtuosität auf die Bühne brachten, entzückte die Zuschauer. Und Schmidts Dialoge, immer nach einem sich wiederholenden Schema funktionierend: Thema - Streit - Versöhnung, wirkten keineswegs verstaubt und wurden durch die Darbietung ganz immanent und heutig. Ein großes Vergnügen.
»Kann eine Frau einen Mann jemals verstehen?« »Männliche Überlegenheit! Ich möchte wissen, worin die besteht?« »Sie denkt in Nachttischlampen, ich denke in Kontinenten.« »Liebt er mich nicht mehr? Steckt womöglich eine andere dahinter?« »Meine nachehelichen Gefühle sind genauso zärtlich wie meine vorehelichen.«
»Schrei mich gefälligst nicht an!« »Ich schreie ja gar nicht. Ich spreche akzentuiert, damit du mich besser verstehst!« »Nie wieder werden wir miteinander streiten. Nicht wahr?« »Ja, mein Einziges. Nie wieder - bis zum nächsten Mal!« Das sind die Topoi, um die sich »Sie und Er« dreht. Natürlich sind alle Handlungen und Misshandlungen frei erfunden und etwaige Übereinstimmungen mit der Wirklichkeit rein zufällig beabsichtigt.
Averkamp und Herrmann spielen das in allen Varianten durch, bringen es höchst virtuos auf den Punkt, zum großen Vergnügen der Zuschauer.
Große Vortragskunst in der Kleinstadt. Ein Lob an die Schauspieler, an die Buchhandlung Bindernagel, an die Initiative des HR und Danke an Wolf Schmidt. Bitte mehr davon!