Kammermusik jenseits der Routine

Friedberg (pm). Ein dünnes Stückchen Stahl hat bewirkt, dass aus einem sehr schönen, kammermusikalischen Abend ein einmalig schöner kammermusikalischer Abend wurde.
Das »Trio 27« und mit ihm das Publikum im »Theater altes Hallenbad« war gerade in den vierten Satz von Beethovens Streichtrio op. 9 versunken, als ein Ton ertönte, den der Meister nicht komponiert hatte: Pling! Eine Saite der Geige von Dimiter Ivanov hatte dem Presto nicht standhalten können und war gerissen. Und damit den Vortrag unterbrochen. Denn Ivanov musste in die Garderobe und eine neue Saite aufziehen.
Nach seiner Rückkehr demonstrierte er dann neben der neuen Saite auch seine humoristische Seite: Unter dem Beifall des Publikums verbeugte nicht er sich, sondern ließ seine Geige sich verbeugen.
Das sei noch nie passiert, berichtete später Martin Lauer, Bratschist. Doch tat er es mit einem Lächeln, denn das Trio hatte das Malheur gelassen und heiter zur Kenntnis genommen. Alle drei sind erfahrene und im besten Sinne routinierte Profis: Lauer und Ivanov als Mitglieder im Frankfurter Opern- und Museumsorchester, Ursula Lauer als Cellistin des Philharmonischen Orchesters Mainz.
Als ambitionierte Musizierende begnügte sich das »Trio 27« aber nicht mit der üblichen Literatur. Für diesen Abend im Rahmen des »Tags des offenen Denkmals« hatte es Stücke ausgesucht, die aus der Zeit stammen, als das »Theater altes Hallenbad« als Schwimmbad erbaut worden war. Zuerst erklang das »Intermezzo« des Ungarn Zoltán Kodály, in dem er volkstümliche Melodien seiner Heimat virtuos verarbeitet hat. Anschließend wurde »Le Chimay« von Eugène Ysaye, einem belgischen Komponisten, präsentiert. Dieses gilt nicht nur technisch als anspruchsvoll, sondern auch inhaltlich, weil es in einem Ganzen notiert ist. Es enthält also keine verschiedenen Sätze, an denen sich die Musizierenden orientieren können. Da gilt es, die Phrasenlängen selbst zu suchen ebenso wie den Spannungsbogen, wie Ivanov berichtet. Seit zehn Jahren hat das Trio dieses Stück im Programm - und jedes Mal erklinge es anders.
Auch Ludwig Beethovens Streichtrio erklang an diesem Abend anders, denn das Presto gab es ja gleich zweimal: Einmal mit drei und dann mit allen vier Saiten der Violine.
Zweimal erklang dann auch Kodálys »Intermezzo«, denn das höchst erfreute Publikum hatte sich eine Zugabe erklatscht.
