Kirche solle Steine ins Rollen bringen

Wetteraukreis (bac). Mit einem Festgottesdienst ist Dr. Anke Spory ins Amt als Pröpstin von Oberhessen eingeführt worden. Sie ist die erste Frau an der Spitze der Propstei und für rund 300 000 evangelische Christen und 300 Pfarreien in den Kreisen Gießen, Vogelsberg, Wetterau zuständig. Die Amtszeit beträgt sechs Jahre.
Spory folgt Matthias Schmidt nach, der im vergangenen Jahr auf eigenen Wunsch aus dem Propstamt schied. Darauf folgte eine zehnmonatige Vakanzzeit, in der Sabine Bertram-Schäfer, Pröpstin für Nord-Nassau, die Amtsgeschäfte interimsweise mitführte. Für diese Leistung überbrachte ihr Ulrike Scherf, stellvertretende Kirchenpräsidentin von Hessen-Nassau (EKHN), den ausdrücklichen Dank der gesamten Kirchenführung. Für Scherf müsse eine Pröpstin geistliche Orientierung und Leitung geben und dies in einer Zeit der besonderen Umbrüche. Aufgrund ihrer Erfahrungen und Kompetenzen sei sie ein Mensch, der nicht auf alles eine fertige Antwort habe. »Sie ist neugierig, Gemeinsames zu suchen und zu finden.« Dazu wünschte Scherf ihr gutes Gelingen und Gottes Segen.
Mit einer kraftvollen, kämpferischen Predigt ging Spory auf ein Bibelzitat ein, in dem Petrus als Fels bezeichnet wird, auf dem Jesus seine Kirche bauen wolle. »Ich werde als Frau in einer Petruskirche in eine kirchliche Leitungsfunktion eingeführt. In welche Petrustradition kann ich mich stellen?«, fragte sie und setzte das Zitat in den historischen Kontext: »Jesus und der Kaiser von Rom verkörpern zwei grundsätzlich unterschiedliche Visionen der Welt. Roms Macht ist Besatzung. Gottes Macht ist Gastfreundschaft.«
Mehr Pröpstinnen als Pröpste
In Hinblick auf die stetigen Veränderungen unserer Zeit beschrieb sie die Kirche damit, dass sie kein Zustand, kein auf Stein gehauenes Gebilde sei. »Sie wird nach der Grammatik des Gottesreiches konjugiert und nicht nach der des Kaisers in Rom.« Sie lebe von Erfahrungen, die zum Wissen, zum Bekennen führten. Das seien ihre Steine. Sie wünsche sich eine Kirche, die sich nicht hinter Mauern verstecke, sondern Steine in Rollen bringe.
In seinem herzlichen Grußwort hieß Gießens Oberbürgermeister Frank-Tilo Becher Anke Spory willkommen. Im Namen des Dekanats Gießener Land überbrachte Dekanin Barbara Lang Glückwünsche. Sie verwies auf die großen Veränderungen, die in Zukunft auf alle zukommen. »Wir Dekaninnen nehmen diese Herausforderungen an.« Hierfür benötige man zwei Dinge: Hinschauen und Vertrauen, und beides könne Spory vorweisen. Das könne sie bestätigen, denn beide Frauen kennen sich seit 25 Jahren.
Erstmals in der Geschichte der EKHN gibt es mit der Einführung von Anke Spory mehr Pröpstinnen als Pröpste. Im Amt sind neben Spory Sabine Bertram-Schäfer (Nord-Nassau) und Henriette Crüwell (Rheinhessen und Nassauer Land) sowie Oliver Albrecht (Rhein-Main) und Stephan Arras (Starkenburg).