Kita-Plätze: Tal der Tränen ist bald durchschritten

Überall fehlen Kindergartenplätze, da macht Friedberg keine Ausnahme. Aber es ist Land in Sicht. Erste Stadträtin Marion Götz (SPD) hat die Kita-Bedarfsplanung fortgeschrieben.
Ist vom Bedarf an Kita-Plätzen die Rede, wird gerne das Bild der Bugwelle zitiert: Es ist eine riesige und sich immer schwieriger gestaltende Aufgabe für die Kommunen, die gesetzlich garantierte Kleinkinderbetreuung zu organisieren. Es fehlen massenhaft Plätze, in Friedberg sind es mittlerweile um die 290. Das ist die Bugwelle, die aber im Abnehmen begriffen ist. Für das Kita-Jahr 2023/24 könnten noch 143 fehlende Plätze übrig bleiben, im Kita-Jahr 2024/25 ist sogar ein Überschuss an Plätzen denkbar. Auch wenn dies alles nur Prognosen sind: Die Bemühungen der Stadt tragen offenbar Früchte.
Zwölf Seiten lang ist die Bestandsaufnahme, welche die Erste Stadträtin Marion Götz am Dienstagabend im Sozialausschuss vorstellte. Akribisch wird aufgelistet, wo welche Plätze entstanden sind oder noch entstehen sollen. Götz betonte, mit der Vorlage sei keine aktuelle Entscheidung verbunden. »Wir wollen Sie auf dem Laufenden halten.« Die zusammengetragenen Fakten sollen eine Entscheidungshilfe für die Parlamentarier sein, wenn weitere Kitas gebaut werden. Und es werden, wie Bürgermeister Dirk Antkowiak (CDU) in der Sitzung sagte, »in den nächsten 10 bis 20 Jahren weitere Kitas in Friedberg gebaut.«
Auch in Bauernheim? Der kleinste Stadtteil ist auch der einzige ohne Kindergarten. Als Götz’ Bestandsaufnahme in Bauernheim bekannt wurde, wurden dort Flugblätter verteilt, auf denen zur Teilnahme an der Ausschussitzung aufgerufen wurde; fünf Bauernheimer kamen. Eine Frau warb mit einem Plakat für den Bau einer Kita in Bauernheim; die Ausschussvorsitzende Martina Pfannmüller (CDU) bat sie freundlich, aber bestimmt, das Plakat wegzulegen; in Sitzungen der politischen Gremien ist das nicht erlaubt.
Grüne haben Nachfragen
Ausschussmitglied Beate Neuwirth (Grüne), selbst aus Bauernheim, erinnerte an den Beschluss des Stadtparlament von 2019, eine Kita im kleinsten Stadtteil zu errichten. Mit der Vorlage der Dezernentin sei dies wohl vom Tisch, da in dem Papier zahlreiche »Argumente« gegen das Projekt stünden. Marion Götz widersprach. Keine »Argumente« seien das, sondern »Fakten«. Etwa dass 6-, 7- oder 8-gruppige Kitas, wie sie jetzt überall entstehen, betriebs- und personalwirtschaftlich sinnvoller seien als kleinere Einrichtungen. Für Bauernheim kämme wohl eher eine 4-gruppe Kita in Frage, aber auch dann müssten Kinder aus anderen Ortsteilen dort hingefahren. Andererseits werden die Bauernheimer Kinder seit Jahrzehnten in andere Ortsteile gefahren.
Ob in Bauernheim eine Kita gebaut werde oder nicht, sei eine politische Frage, betonte Götz. Das habe die Stadtverordnetenversammlung zu entscheiden. Die hatte zuletzt eine Prioritätenliste aufgestellt; Bauernheim kommt erst ganz am Schluss.
Waldgruppen nicht realisierbar
Neuwirth fragte auch nach den geplanten Kita-Wald- und Wiesengruppen in Ossenheim, Bruchenbrücken und Ockstadt. Götz verwies auf ihre Bestandsaufnahme, wo alles haarklein beschrieben wird: In Ossenheim fehlt ein geeignetes Grundstück; die Verkehrssicherung im Wald müsste der Eigentümer teils tragen, was dieser ablehnt; es fehlt ein Sturmraum, der bei schlechtem Wetterau aufgesucht werden kann. In den anderen Stadtteilen ist es ähnlich. Götz berichtete von den Anstrengungen, Wald- und Wiesengruppen zu verwirklichen; die Stadt könnte so mit wenig Geld 60 Plätze einrichten. Aber dem hohen Arbeitsaufwand stehe ein negatives Ergebnis gegenüber.
Antkowiak machte deutlich: »Baurechtlich ist eine Kita in Bauernheim kein Problem.« Sie könnte am Ortsrand im Baugebiet beim Feuerwehrhaus entstehen. »Aber wir haben eine Prioritätenliste.« Und da stehen ganz oben die (bald abgeschlossene) Sanierung der Villa Winzig, die Einrichtung der beiden Campus-Kitas, die Planungen für die Kita in der Usavorstadt. Wird dort die alte Kita abgerissen, wird am Rande der Seewiese hinter dem Spielplatz vorübergehend eine Container-Kita aufgebaut. Götz: »Dieser Standort ist fußläufig zu erreichen.« Ausschussmitglied Erich Wagner (SPD) sagte, die Bedarfsplanung der Ersten Stadträtin sei »ein sehr guter Fahrplan, der zeigt, was noch alles zu tun ist«. Gleichwohl, dies zeige der Blick in die erste Kita-Bestandsaufnahme von 2020, sei »schon vieles erledigt worden«, stellte Wagner fest.
Kitas in Friedberg: Zahlen und Fakten
Zum 31. Dezember 2022 standen in Friedberg 1385 Betreuungsplätze für Kinder im Alter unter drei (U 3) und über drei Jahren (Ü 3) zur Verfügung sowie 56 Hortplätze für Grundschulkinder; die meisten Grundschüler (524) besuchen Horte, die an Grundschulen angegliedert sind. Die Stadt selbst hat auf Anraten des Landesrechnungshofes die eigenen Hortplätze von 61 auf 16 reduziert und so 34 zusätzliche Kita-Plätze geschaffen.
Die Einrichtungen mit der Gesamtzahl an Kita-Plätzen, zunächst die städtischen Kitas: Bunte 11 (72), Farbklecks (100), Housing (111), Kettelerstraße (59), Kinderburg (134), Mäuseburg (47), Rappelkiste (45), Räuberhöhle (110), Regenbogen (90), Simsalagrimm (76), Tintenklecks (40) und Villa Winzig (24); dazu kommen Kitas in freier oder konfessioneller Trägerschaft: Sonnenschein (123), Kaiserstraße (80), St. Marien (95), St. Jakobus (78), Kinderhaus Wetterau (37), Villa Kunterbunt (44), Jimbala (20) sowie der Hort an der Musterschule (40).
Die größten Probleme werden in Friedberg mit der Eröffnung der beiden Campus-Kitas behoben (ehemals Montessori-Kinderhaus und Grundschule). Hier entstehen insgesamt 199 Plätze. In der Usavorstadt soll als Ersatz für die bisherige Kita ein Kindergarten mit sechs Gruppen gebaut werden. Geplante Eröffnung: Februar 2025. Ausgebaut werden soll die Kindertagespflege. Die Stadt hat einen Träger an der Hand, derzeit wird eine Immobilie gesucht. Geplant ist, eine Kindertagespflegegruppe für zehn Kinder (und 2,5 Tagespflegepersonen) neu zu etablieren. Welche Probleme ein Kita-(Um-)Bau aktuell versacht, zeigt das Beispiel der Villa Winzig in der Saarstraße, die für 20 U 3-Plätze umgebaut wurde. Im Januar 2020 sollten die Arbeiten beendet sein, doch erst gab es Defizite bei der Planung und einen Planerwechsel, dann mussten die Arbeiten mehrmals ausgeschrieben werden, bevor ein wirtschaftliches Angebot vorlag. Die Arbeiten verzögerten sich aufgrund der konjunkturellen Lage, es kam mehrfach zu unvorhergesehenen Nachtragsforderungen. Am Ende kostete die Maßnahme 2,4 Millionen, und dies für gerade einmal 20 Plätze.
