»Millionen Kiffer werden unnötigerweise kriminalisiert«

Ab und zu einen Joint zu Hause rauchen - nach einem Gesetzventwurf der Ampelkoalition soll das bald legal möglich sein. Eine gute Idee? Drei Wetterauer erzählen, was sie davon halten und ziehen Vergleiche zum Alkoholkonsum.
Wird Cannabis für den Eigenkonsum legal? Die Regierung wollte Cannabis legalisieren, doch ist gescheitert. Stattdessen soll es eine »Legalisierung light« geben. Erwachsenen soll der Besitz von bis zu 25 Gramm erlaubt werden. Auch der Eigenanbau von maximal drei Pflanzen soll legal sein. Zudem will die Bundesregierung Anbau und Abgabe in Cannabis-Clubs ermöglichen. Die Argumente der Regierung: Mit dem Vorhaben wird der Jugendschutz erhöht, der Schwarzmarkt zurückgedrängt, der Kriminalität der Boden entzogen.
Drei Wetterauer sprechen darüber, was sie davon halten.
Im Moment ist es noch ein unregulierter Markt, bei dem man nicht weiß, was man bekommt.
Der Leitsatz von Walter Strasheim-Weitz: »Wer erwachsen ist, kann tun, was er will« - vorausgesetzt, die Handlung schade keinem anderen. Und einen Joint zu Hause rauchen? Schadet niemandem, sagt der Butzbacher. Er betreibt in Pohl-Göns jährlich mit einem Partner das Hanflabyrinth. Mit Kiffen und Rauschwirkung hat das nichts zu tun, da dort nur Nutzhanf angebaut wird. Daraus können Tees, Öle und vieles mehr hergestellt, aber keine Joints mit berauschender Wirkung gebaut werden. Dennoch kennt Strasheim-Weitz sich mit der Pflanze aus - und hat sich auch mit der Thematik Cannabis als Droge beschäftigt.
Vergleich mit Alkoholverbot
Er sagt: Seit Jahrzehnten werden Millionen Kiffer unnötigerweise kriminalisiert. »Das sind Menschen, die nichts machen, außer ihr Leben führen und abends mal einen Joint rauchen. Aber wehe, sie werden erwischt.« Angesichts des gesellschaftlich akzeptierten und erlaubten Alkoholkonsums sei die Diskussion kurios: »Leute mit einem Glas Bier oder Wein in der Hand wollen andere dazu bringen, etwas nicht zu machen - das ist eine Dreistigkeit.«
Durch eine Legalisierung von Cannabis hingegen sei es möglich, Gesetze und Regeln zum Kauf und Konsum zu schaffen - und dem Drogenmissbrauch vorzubeugen.
Lindon Zena von der Grünen Jugend Wetterau vergleicht das Cannabis-Verbot mit der Prohibition in den USA. Dort war es von 1920 bis 1933 verboten, Alkohol zu verkaufen und herzustellen. In der Folge entwickelte sich ein großer Schwarzmarkt für Alkohol - und einige Kriminelle machten Karriere (etwa Al Capone). Letztlich ist die Prohibition gescheitert - Alkohol bekam man trotzdem überall. Genauso sei es mit Cannabis, sagt Zena. »Man kriegt es gefühlt in jedem Ort.«
Das sind Menschen, die nichts machen, außer ihr Leben führen und abends mal einen Joint rauchen.
Der 23-Jährige ist für eine Legalisierung. Denn auf diesem Weg, sagt er, »kann man etwas für den Jugend- und Konsumentenschutz tun. Im Moment ist es noch ein unregulierter Markt, bei dem man nicht weiß, was man bekommt und mit wem man zu tun bekommt.« Er meint schädliche Substanzen, die auf dem Schwarzmarkt beigemischt werden, um es zu strecken (bspw. mit chemischen Substanzen oder mit Blei - um das Gewicht und entsprechend den Gewinn zu vergrößern). Bei einem kontrollierten Markt mit legalen Abgabestellen käme so etwas nicht vor.
Was Zena auch sagt: »Wenn es eine Legalisierung gibt, gibt es auch Gegenangebote. Suchtberatung zum Beispiel. Ein Dealer hingegen wird einen nicht abhalten.«
Dass er sich für die Legalisierung ausspricht, liegt nicht an eigenen Erfahrungen, sondern an Beobachtungen, wie er sagt. »Ich habe noch nie gekifft. Ich hatte nie das Verlangen danach.« In seinem Umfeld habe er aber erlebt, was er auch in Studien gelesen habe: dass Cannabis guten Gewissens legalisiert werden könne.
Beatrix Falkenstein vom Zentrum für Jugendberatung und Suchthilfe für den Wetteraukreis hat eine andere Einstellung. Sie sagt, sie erkenne bei der jetzt geplanten Legalisierung keinen Vorteil. Gerade in Bezug auf die Cannabis-Clubs sehe sie die Gefahr von Grauzonen. Und: »Ich glaube nicht, dass Cannabiskonsum für die Menschen zu einer verbesserten Situation führt, solange dieser nicht medizinisch indiziert ist. Vielleicht muss man in der Medizin darüber nachdenken, ob die Therapie mit THC zu streng gehandhabt wird.« Ansonsten werde stark unterschätzt, wie schnell Cannabis Psychosen auslösen könne. Es gehe »eben nicht nur darum, mal einen Joint zu rauchen«.
Die Suchtberaterin weist aber auch auf die Gefahr durch Alkohol hin. Auf die Frage, ob Cannabis eine Einstiegsdroge ist, sagt sie, sie sehe eher Alkohol in dieser Rolle. Durch dessen bewusstseinsverändernde Wirkung bestehe eher die Gefahr, auch andere Drogen zu konsumieren. »Deshalb finde ich es fatal, dass man in Deutschland bereits mit 16 Jahren Alkohol kaufen darf.«
Große Arbeitsbelastung für die Polizei
Für die Polizei stellt Cannabis aktuell eine immense Arbeitsbelastung dar. »In Hessen machten Cannabis-Delikte im vergangenen Jahr einen Großteil aller Rauschgiftdelikte aus«, sagt Virginie Wegner, stellvertretende Leiterin der Abteilung Kommunikation des Landeskriminalamts. In der Kriminalstatistik seien 2022 hessenweit 15 132 Straftaten im Zusammenhang mit Cannabis registriert worden, 1736 dieser Fälle im Zuständigkeitsbereich des Polizeipräsidiums Mittelhessen. Wie viele davon über bzw. unter der geplanten gesetzlichen Grenze von 25 Gramm gelegen haben, werde nicht in der Statistik erfasst. Für die Polizei ist jede erfasste Straftat mit Aufwand verbunden, auch bürokratischer Art. »Delikte im Zusammenhang mit Verfahren gegen das Betäubungsmittelgesetz sind meist mit längerfristigen Verfahren verbunden.« Ob die Polizei, die vielerorts über Überlastung klagt, durch die geplante Teillegalisierung entlastet werden könnte, wird von Experten unterschiedlich bewertet. Klar ist, dass die Polizei auch nach einer Umsetzung des Gesetzesentwurfs Arbeit durch Cannabis haben wird. »Auch künftig wird es Menschen geben, die sich auf dem Schwarzmarkt Cannabis kaufen werden« – zum Beispiel Jugendliche oder Menschen, die sich legale Produkte nicht leisten können, betont Wegner. Zur Aufgabe der Polizei werde es unabhängig von einer Gesetzesänderung weiterhin gehören, die Fahrtüchtigkeit der Verkehrsteilnehmer zu kontrollieren. Da Cannabis die Sinne trüben und die Reaktionsfähigkeit beeinflussen könne, betont Wegner: »Die Legalisierung von Cannabis dürfte auf die Sicherheit im Straßenverkehr keinen positiven Effekt haben.« chh