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Pfarrer Weckwerth räumt aus

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Von den Seidenbildern seiner Mutter hat sich Pfarrer Bernd Joachim Weckwerth weggenommen, was er behalten möchte. Doch es gibt noch genug, was auf leere Wände passt. © Hanna von Prosch

»Alles muss raus!« Denn Pfarrer Bernd Joachim Weckwerth geht bald in den Ruhestand. Da trennt er sich von Dingen, die er nicht mehr braucht, und auch von manchem Liebgewonnenen. Der Pfarrhausflohmarkt in Ockstadt geht noch bis zum heutigen Freitagmittag.

Im Baum hängt ein Schild und weist den Weg zum Flohmarkt. Vor dem Pfarrhaus stehen Stühle, in der Garage zerlegte, gut erhaltene Möbelstücke und eine Heimorgel, auf der Zwillingsbruder Gerd das Orgelspielen erlernt hat. »Zum Wegwerfen sind die Dinge zu schade. So kann ich damit noch etwas Geld sammeln, das wieder der Kirchengemeinde zugutekommt«, sagt der Ockstädter Pfarrer Bernd Joachim Weckwerth.

Drinnen stehen Kisten mit Woll- und Stricksachen, Büchern aller Art, auf Tischen liegen stapelweise Tischdecken, Kruzifixe. In der Küche hat er die selbst gestalteten großen Osterkerzen aufgestellt, die er nur bis zum Beginn des Motivs abgebrannt und sich dann mit einem eingesetzten Licht durchs Jahr gemogelt hat. Glasschalen und ein riesiges Sektglas für eine ganze Flasche bietet er an. Aus einer Schachtel quillt Modeschmuck.

Hungertücher und ein Eiffelturm

Warum er wohl so viele große und kleine Kuscheltiere hat? »Damit habe ich schon manches Kind beruhigt. Denn wenn Kinder zu einem Gespräch mitkommen, dann quengeln sie, weil es langweilig ist. Und die Eltern denken nicht daran, Spielzeug mitzubringen«, erzählt er. Aber jetzt braucht er sie nicht mehr. Von den gestrickten Handpuppen Biene Maja und Willi, die er von der Kindergartenleiterin hat, wollte er sich aber dann doch nicht trennen.

Schon am ersten Vormittag hatten ein paar Prachtstücke gegen Spende ihren Besitzer gewechselt: die Krippe aus der Kinderzeit, eine große Holzfigur, ein Stein-Maulwurf. »Die Leute geben, was sie meinen. Aber mit einem Euro bin ich bei manchen Sachen nicht zufrieden. Dann mache ich den Preis«, sagt Weckwerth.

Abzugeben sind auch religiöse Dinge wie die Hungertücher, die Missio jedes Jahr in der Fastenzeit herausgibt, welche von früher und moderne. »Der selbst zusammengebaute Eiffelturm aus Pappe stand bei mir immer in einer Ecke im Arbeitszimmer«, berichtet der Pfarrer. Und das Jesuskind, das jetzt gerade über dem Kühlschrank schwebt, habe früher die Gäste im Pfarrhaus begrüßt.

Erfahrung als Flohmarkt-Verkäufer hat Weckwerth nicht. Sein Bruder dafür umso mehr. Er unterstützt ihn tatkräftig und hat selbst noch Artikel mitgebracht aus seinem Kölner Verein. »Ich bin eher ein Sammler, kann alles gebrauchen, das sieht man ja«, sagt Bernd Joachim Weckwerth. In den Bücherkisten kann man wählen zwischen Koch- und Gesundheitsthemen, Papstbüchern, Bildbänden. Seine Bibliothek im Obergeschoss hat Weckwerth noch gar nicht angerührt. Aber sonst hat er für alles Nachschub.

Als er vor zwei Jahren den Hausstand seiner Mutter aufnahm, weil diese mit fast 90 Jahren ins Seniorenheim ging, kam noch mehr dazu. Vor allem Bilder. »Meine Mutter malte von frühester Jugend an, mit Öl und sehr gerne auf Seide. Sie hatte auch Ausstellungen«, sagt er und streift neben dem Portrait seiner Mutter liebevoll durch die vielen gerahmten Bilder. Es sind Landschaftsmotive in Pastelltönen, Stimmungsbilder von ungewöhnlicher Zartheit. Auch kraftvolle Motive bietet er an, Bilder, die er manchmal im Gottesdienst symbolisch eingesetzt hat.

In der Ecke steht ein Carrom, eine Art Fingerbillard. Weckwerth hat selbst Spiele entwickelt. Mit einer pfiffigen Idee kam er sogar ins Fernsehen zu »Schlag den Raab«. »Und mein Bruder hat mal beim Glücksrad sauber abgeräumt«, ergänzt er schnell.

Für die fast 70-jährigen Zwillinge scheint der Flohmarkt eine Art Lebensreise zu sein, die mit den Erinnerungen Platz macht für Neues. Denn im Ruhestand will der Pfarrer in seiner Wunschheimat im Rheingau - wo weiß er noch nicht - weiter Kerzen basteln und Musik machen.

Die Spenden aus dem Flohmarkt sollen in ein größeres Projekt für die Gemeinde einfließen. Was es ist, verrät Weckwerth aber noch nicht. Er lässt auch offen, ob er den Flohmarkt in den Herbstferien wiederholt.

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