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Prozess am Landgericht: Fatale Messerstiche wegen 160 Euro

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Eine Fehde zwischen zwei Schülern aus Friedberg um Geld endete fast tödlich, nun muss sich einer der beiden wegen versuchtem Totschlag vor dem Landgericht Gießen verantworten.

Eine Türklingel-Kamera in der Straße »Vorstadt zum Garten« in Friedberg hat ein Handgemenge mit beinahe tödlichem Ausgang zwischen einem 19-jährigen und einem 22-jährigen Schüler am Abend des 21. Mai aufgezeichnet. Das Video ist nun ein Indiz im Gerichtverfahren, das am Montag vor dem Landgericht Gießen eröffnet wurde.

Die Aufnahme zeigt eine gereizte Stimmung zwischen den beiden Akteuren. Der 22-Jährige brüllt: »Wenn Du mich schlägst, ficke ich Dein Leben.« Beide machen eine schnelle Bewegung, gehen aufeinander los. Sie verschwinden aus dem Sichtfeld der Kamera, Schmerzschreie sind zu hören, dann versucht der 22-Jährige vor dem 19-jährigen Beschuldigten zu fliehen. Abseits vom Sichtfeld der Kamera sind Hilferufe zu hören. Eine dritte Person im Video ruft den Namen des Beschuldigten und fragt: »Was machst Du?« Eine vierte Person ruft: »Ich hab Dein scheiß Handy.« Danach endet das Video, für die Jugendkammer des Landgerichts Gießen unter Vorsitz von Richter Andreas Wellenkötte viele Fragen aufwirft.

Streit existiert schon seit Jahren

Fest steht: Der Geschädigte erlitt Messerstiche am Oberkörper. Eine der Verletzungen kostete ihn fast sein Leben. Die Staatsanwaltschaft wirft dem 19-Jährigen versuchten Totschlag sowie gefährliche Körperverletzung vor. Er ist in der JVA Wiesbaden untergebracht, wird von Rechtsanwalt Jürgen Häller verteidigt.

Staatsanwalt Hahn informierte, dass zwischen den jungen Männern ein Streit wegen einem Geldbetrag und Drogengeschäften existiere. Am Tattag sei die Aggression zunächst vom Geschädigten ausgegangen. Nach verbalen Drohungen habe er Pfefferspray gegen den beschuldigten Teenager eingesetzt. Darauf habe der mit seinem Küchenmesser (mit 17 Zentimeter langer Klinge) zugestochen. Der 22-Jährige erlitt u.a. eine schwere Verletzung am Oberbauch. Nachdem der 19-Jährige den Geschädigten bis zur Einmündung zur Mörler Straße verfolgt habe, soll er weitere zwei Mal auf ihn eingestochen haben. Der Beschuldigte sei dann geflüchtet. Der 19-Jährige habe einen möglichen Tod des 22-Jährigen »billigend in Kauf« genommen, sagte Hahn. »Nur durch ärztliche Intervention konnte der Tod des Zeugen verhindert werden.«

Der 19-Jährige gab den Auslöser des Streits mit dem 22-Jährigen vor Gericht an: »Irgendwann habe ich ihm einfach so fünf Gramm Haschisch abgezogen und er mir danach zehn Gramm Marihuana. Er verlangte auch noch 200 Euro Zinsen.« Seit Ende 2018 werde er nun vom 22-Jährigen beschattet, bedroht und immer wieder geschlagen wegen der Schulden. »Teilweise hatte ich auch Angst um meine Schwester und meine Mutter. Ab 2020 habe ich mich dazu entschieden, nur noch mit einem Messer rumzulaufen.«

Am Tatabend sei der Geschädigte auf ihn zugekommen. Der 22-Jährige habe ihn am Tatort geschubst, bedroht und dann das Pfefferspray gezogen. »Im Adrenalinschub habe ich fast zeitgleich das Messer gezogen und zugestochen.« Den verletzten 22-Jährigen habe er nicht mehr verfolgt, als dieser auf der Flucht zusammenbrach. Der Beschuldigte gab zu, anschließend aus Panik geflüchtet zu sein.

Opfer habe nur Geld zurückgefordert

Als Zeuge stritt der 22-Jährige ab, den Beschuldigten jemals bedroht oder geschlagen zu haben. Er sei noch nie in seinem Leben gewalttätig gewesen. Er bezeichnete den 19-Jährigen als Drogendealer, der maximal 160 Euro Schulden bei ihm habe. Am Tatabend seien sich beide nur zufällig begegnet. Er habe den 19-Jährigen gefragt, ob er seine Schulden bezahlen könne. Der habe darauf sofort ein Messer gezogen und ihn beleidigt. Als der 22-Jährige Pfefferspray einsetzte, habe der 19-Jährige auf ihn eingestochen. Als er verletzt fliehen wollte, sei der 19-Jährige hinter ihm hergerannt. Vor Schwäche sei er gestürzt und der Beschuldigte habe weiter auf ihn eingeschlagen.

Ein Anwohner, von dem die beschriebenen Aufnahmen stammen, gab vor Gericht an, den geschilderten Streit vor seiner Haustür von einem Fenster nur teilweise beobachtet und später Erste Hilfe geleistet zu haben. Einer der beiden Begleiter des Beschuldigten gab als Zeuge an, er habe zu keinem Zeitpunkt ein Messer gesehen. Er beschrieb den Charakter des 19-Jährigen als »ruhig und freundlich« und den des 22-Jähigen als »sehr aufbrausend« und habe oft gehört, er sei gewalttätig.

Am 20. November wird das Verfahren am Landgericht Gießen fortgesetzt. Dann sagen Freunde des Beschuldigten aus, die kurz nach der Tat mit ihm Kontakt hatten.

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