1. Startseite
  2. Region
  3. Wetteraukreis
  4. Friedberg

Schluss mit Feinkost: »Delikatus« muss schließen

Kommentare

jw_delikatus3_050823_4c
Alles muss raus, auch der kleine Ofen und die Regale: Ute Schott-Rönsch auf der Empore des Feinkostgeschäfts »Delikatus«. Corona, Inflation, das Kaufverhalten der Kunden und »innerstädtische Krisen« machen sie und ihr Mann Matthias Schott für das Aus verantwortlich. © Nicole Merz

Es sind die kleinen, familiären Geschäfte, die den Reiz der Friedberger Kaiserstraße ausmachen. Jetzt muss das »Delikatus« schließen. Ein herber Verlust für die Einkaufsstadt.

Aus und vorbei: Kommenden Freitag, 11. August, wird Ute Schott-Rönsch das Feinkostgeschäft »Delikatus« auf der Friedberger Kaiserstraße ein letztes Mal öffnen. Der letzte Käse und der letzte Apfelwein werden über die Theke gehen, dann ist Schluss. »Es rechnet sich nicht mehr«, sagt Schott-Rönsch. Sie hat einen Insolvenzverwalter mit der Abwicklung der Geschäfte beauftragt. Sie und ihr Mann Matthias Schott bewerben sich für neue Job, Vorstellungsgespräche sind anberaumt.

Als die Schotts vor drei Wochen auf Facebook das Ende ihres Ladens verkündeten, äußerten viele Nutzer ihr Bedauern, wünschten sich ein Fortbestehen. Das wird es nicht geben. Schott führt mehrere Gründe an: Die Corona-Pandemie und der Ukraine-Krieg samt Inflation; eine Mieterhöhung »zu ungünstigster Zeit«, aber auch »innerstädtische Krisen, bei denen die Politik gekonnt wegschaute«.

Am Konzept des Ladens habe es nicht gelegen, sagt Ute Schott-Rönsch. Dank vieler exklussiver Eigenmarken habe man die Wetterau weit über ihre Grenzen hinaus bekannt gemacht. »Unser Sortiment war immer gefragt bei unseren Kunden.« Doch leider habe sich das Einkaufsverhalten durch die Wirtschaftslage verändert. »Die Stammkunden blieben weg. Laufkundschaft und Touristen waren kaum noch existent.« Die Entscheidung sei ihr nicht leicht gefallen, sagt Schott-Rönsch. Schon im Januar habe ihr ein Anwalt die Insolvenz nahegelegt. »Ich habe mich lange damit rumgequält. Bis Juli.« In der Corona-Pandemie brach dem Laden das Mittagsessengeschäft fast komplett weg. »Die Leute waren im Home Office, kamen nicht mehr in die Stadt. Wir haben jahrelang länger im Laden gestanden, haben abends Events angeboten und das alles sehr gerne gemacht.« Aber wenn sich die Anstrengungen nicht mehr rentieren, verliert man den Spaß an der Sache.

Das Kaufverhalten hat sich geändert

Das »Delikatus« ist einzigartig in Friedberg. Hier gibt es, was es anderswo nicht gibt: Edle Liköre, Handkäs-Essig, Meersalz aus Italien, Apfelwein in zig Varianten und vieles mehr. Verständlich, dass die Produkte teurer sind als im Discounter. Da Discounter mittlerweile auch Feinkostartikel anbieten, wird die Luft für Spezialgeschäfte immer dünner. Vom Online-Einkauf, der dem stationären das Rückgrat bricht, erst gar nicht zu reden.

Alles muss raus, auch die Einrichtung. Überall hängen kleine Zettel. Der Kühlschrank fürs Fleisch ist für 80 Euro zu haben, der Tisch aus einer Frankfurter Küche für 100 Euro. An einem Regal klebt der Zettel »Nicht bei Amazon gekauft«. Das muss mal gesagt werden. Und auch dies: »Viele Jahre waren wir immer sehr kritisch und sprachen deutlich aus, was in Friedberg nicht gut läuft. Damit haben wir uns bei der Politik keine Freunde gemacht. Aber wir sprechen die Sprache der Friedberger, nur das war uns wichtig«, sagt Matthias Schott.

Er ist aber »vorsichtig optimistisch, dass sich Qualität durchsetzt und Friedberg die Chance bekommt, auf einen positiven Weg zu geraten.« Auf Facebook wurde angeregt, das »Delikatus« könne nach Bad Nauheim umziehen. Das hat das Ehepaar nicht weiter verfolgt. Sie ist 54, er 59. Man wird nicht jünger. Und in der Corona-Pandemie mussten beide auf Rücklagen zurückgreifen. Ein kostenträchtiger Neuanfang war da nicht drin.

Die Kunden werden ihm fehlen, sagt Matthias Schott. Seiner Frau geht es genauso. Gescheitert seien sie nicht, betont sie. »Wir haben über Jahre ein gut gehendes Geschäft geführt, haben Freundschaften geschlossen, hatten ein nettes Klientel. Reichtümer wollten wir nie verdienen. Wir wollten unseren Traum verwirklichen.« Bis 2018/19 habe das auch sehr gut geklappt. »Das macht mich schon stolz.«

Auch interessant

Kommentare