Schwimmen lernen in Krisenzeiten

Laut DLRG gelten weniger als die Hälfte der Zehnjährigen in Deutschland als sichere Schwimmer. Dieses Problem war schon vor Corona und der Energiekrise präsent. Nun verschärft es sich.
Die Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) warnte bereits im Juni 2017 davor: »Fast 60 Prozent der Zehnjährigen sind keine sicheren Schwimmer.« Das zeigte sie anhand einer Forsa-Umfrage auf. Von Corona-Pandemie, mit ihren Hygienevorschriften und Krieg in der Ukraine, mit steigenden Energiepreisen, war da noch keine Rede.
Nicht hinnehmbare Zustände
Was die DLRG jedoch schon in den Vorkrisenzeiten als Grund ausmachte, war die Schließung von Schwimmbädern aus Spargründen in den Kommunen. Sie kritisierte, dass Schwimmunterricht aus der Mode zu kommen scheint und führte an, dass nur 27 Prozent der Kinder das Schwimmen in der Schule gelernt haben - laut ihren Eltern. Doch auch familiäre Gründe, gerade in sozialschwachen Familien, würden dazu führen, dass die Schwimmausbildung vernachlässigt wird. »Mittlerweile haben rund 25 Prozent der Grundschulen keinen Zugang zu einem Bad«, informiert die DLRG auf ihrer Internetseite. »Nicht hinnehmbar«, findet auch DLRG-Präsident Achim Haag als diese Zahlen bereits vor einigen Jahren bekannt wurden,
Nun ist 2023 und die Corona-Pandemie hat Spuren hinterlassen. Schwimmunterricht musste wegen temporär geschlossener Hallenbäder ausfallen. Im Hallenfreizeitbad Karben etwa waren in den Jahren 2020 und 2021 insgesamt zehn Monate lang die Türen verschlossen und damit auch für den Schwimmunterricht dort. Von Schließungen waren andere Hallenbäder wegen der Corona-Maßnahmen auch betroffen. Das Schwimmen zu lernen war also noch schwieriger in der Pandemie und nun bereitet Badbetreibern eine andere Krise Kopfzerbrechen.
Unterricht in Karben weiterhin möglich
Seit rund einem Jahr beeinflusst Russlands Krieg in der Ukraine die Märkte und damit die Bäder.. Einsparen, lautet auch dort das Gebot der Stunde. In Karben führt das dieser Tage jedoch nicht zu einem Ausfall von Schwimmunterricht, erklärte Betriebszweigleiterin Carolin Beck von den hiesigen Stadtwerken. »Bei uns haben wir die Beckenwassertemperatur nur von 29 auf 28 Grad abgesenkt. Damit können die Schwimmkurse in unserem Mehrzweckbecken weiterhin stattfinden.« Sie gab allerdings auch zu bedenken, dass »eine massive Absenkung der Beckenwassertemperaturen auf etwa 24 Grad Schwimmunterricht teilweise unmöglich gemacht hat.« In Karben zwar bisher nicht, dennoch würden die gestiegenen Energiekosten zu einem erhöhten Jahresdefizit beim Hallenbad führen, so Beck. Politisches Handeln wäre also gefragt, findet Beck: »Wenn man nicht entgegenwirkt, werden zukünftig viele Menschen das Schwimmen nicht mehr erlernen können. Die kommunalen Badbetreiber brauchen dringend finanzielle Unterstützung vom Land und/oder Bund.« Etwa 2500 Kinder lernen jährlich das Schwimmen im Hallenfreizeitpark Karben.
Permanente Schließungen von Hallenbädern, wie etwa das Ende April 2018 geschlossene in Bad Vilbel, erhöhen zudem den Druck auf verbliebene Bäder in der Region, kann Carolin Beck aus eigener Erfahrung berichten: »Die Schließung vom Hallenbad in Bad Vilbel hat dazu geführt, dass fünf Vilbeler Schulen zum Schwimmen nach Karben kommen müssen. Das schränkte den öffentlichen Badebetrieb und das Training der Vereine weiter ein.« Die Bereitstellung von Wasserflächen für Schulen habe zwar höchste Priorität, trotzdem müssen Schwimmbadbetreiber es irgendwie allen Nutzern ihrer Schwimmbecken recht machen.
Eltern verkennen oft die Gefahren
Ulla Stadnik, Direktorin der Gemeinsamen Musterschule in Friedberg sieht mittlerweile »stark regulierte Schwimmzeiten, damit an möglichst vielen Schulen Schwimmunterricht angeboten werden kann.« Auch in ihrer Lehreinrichtung sei der Negativ-Trend zu spüren: »Immer mehr Kinder können auch im Grundschulalter noch nicht schwimmen,« Die Nichtschwimmerbecken seien daher auch mal überfüllt.
Es sei überlebenswichtig, dass Eltern ihren Kindern schwimmen beibringen oder beibringen lassen. »Oftmals werden die Gefahren, die mit einem Besuch im Schwimmbad, im Pool des Urlaubshotels oder im Meer einhergehen unterschätzt.« Auch Ulla Stadnik betont, genau wie die DLRG, dass ein Kind mit Seepferdchen-Abzeichen noch nicht sicher schwimmen kann. »Sie sollten dann trotzdem unbedingt im Wasser beaufsichtigt werden. Auch Schwimmhilfen wie Schwimmflügel und ähnliches bieten keinen sicheren Schutz vor dem Ertrinken.«
Doch neben der Sicherheit, stärke das Schwimmen auch das Immunsystem, stärke den heranwachsenden Körper, schaffe Ausgleich und mache einfach Spaß. Um all das gewährleisten zu können stünden »Schulen, Koordinatoren und Schwimmbadbetreiber im konstruktiven Austausch, erklärte die Rektorin.
Info: Schwimmen in der Grundschule erlernt?
Die DLRG hat in seiner beauftragten Forsa-Umfrage von 2017 herausgefunden, dass 56 Prozent der über 60-Jährigen das Schwimmen in der Grundschule erlernt hat. Blickt man dann jedoch auf die Gruppe der 45- bis 59-Jährigen, lässt sich ein Abwärtstrend erkennen: Hier waren es nur noch 52 Prozent, während bei den 30- bis 44-Jährigen der Anteil bei nur noch 49 Prozent liegt. Dann der steile Fall: Nur noch 36 Prozent der 14- bis 29-Jährigen hat das Schwimmen in der Grundschule gelernt.