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Sternstunde in der Stadthalle

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Von: red Redaktion

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Christine Rothacker und André Haedicke überzeugen auf der Bühne auch mit ihrer Verwandlungsfähigkeit. © pv

Friedberg (pm). »Großartig… auf höchstem Niveau. Danke für einen bezaubernden Theaterabend!«, schwärmte eine Besucherin nach der rasanten Darbietung von Oscar Straus’ musikalischer Komödie »Eine Frau, die weiß, was sie will« auf Einladung der Volksbühne Friedberg. Diese Dame war in der Stadthalle mit ihrer Begeisterung nicht allein.

Manon heißt die Frau, die weiß, was sie will, und dies üblicherweise auch bekommt. Die Operetten-Diva hat einen jungen Verehrer namens Raoul. In diesen ist wiederum die junge Lucy verliebt und bittet Manon, ihr zuliebe auf den begehrten Junggesellen zu verzichten, ohne allerdings zu wissen, dass Manon ihre Mutter ist. Und schon nimmt das Verwechslungskarussell dieser charmanten Operetten-Komödie ihren Lauf.

Regisseur Jörg Mohr greift in seiner Inszenierung Barry Koskys Konzept, das schon 2015 an der Komischen Oper in Berlin sehr erfolgreich gewesen ist, auf. Dieses basiert auf dem Prinzip der virtuosen Verknappung und reißt auch das begeisterte Friedberger Publikum regelrecht von den Stühlen. Dabei kopiert er die Regie des Star-Regisseurs natürlich nicht, sondern entwickelt sie gekonnt weiter.

Unaufhörliche Rollenwechsel

Von den fast 30 Rollen des Stücks hat Mohr die Hälfte gestrichen und lässt alle restlichen Partien in einer virtuosen Perfektion von den zwei großartigen Verwandlungskünstlern Christine Rothacker und André Haedicke spielen. Das rasante Tempo der unaufhörlichen Rollenwechsel und eine pointierte Situationskomik verwandeln die an sich belanglose Boulevardkomödie in eine kühne Travestie. Das Ergebnis ist nicht nur ungemein unterhaltsam und zum Kaputtlachen, sondern hat in der Überwindung festgefahrener Rollenzuschreibungen und Identitätskonzepte auch etwas Aktuelles und Bewegendes.

Der Kulturmanager der Volksbühne, Marc Rohde, stand in seiner Jugend selbst mit Jörg Mohr auf der Bühne und ist begeistert, dass es nach so vielen Jahren erneut zu einer Zusammenarbeit gekommen ist, auch wenn der Kontakt in diesem Falle durch die Verbindung zu dem in der Wetterau lebenden André Haedicke zustande gekommen ist und nicht über den Regisseur.

Die große Bühne der Friedberger Stadthalle ist bis auf zwei voll bestückte Kleiderständer und Daniel Prandl am Flügel so gut wie leer. Mehr als einige Requisiten, unzählige Kostüme (Ausstattung: Antonia Schmitz) und zwei Darsteller bedarf es nicht, um den Abend in kabarettistisch anmutender Reduktion aufs Wesentliche zu bestreiten. Die Faszination der Verwandlung, die die beiden Protagonisten perfekt beherrschen, tut ein Übriges, um den Abend zu einer Sternstunde werden zu lassen.

Die beiden Hauptcharaktere, die Operetten-Diva Manon und ihre Tochter Luzi, werden intensiv gezeichnet und mit einer gehörigen Portion emotionaler Tiefe dargestellt. Rothacker hat hier die Ausstrahlung einer Operetten-Gräfin, und Haedicke gelingt es mit Leichtigkeit, trotz seines Vollbarts und der Brustbehaarung, das junge Mädchen überzeugend zu verkörpern. Die kleineren Rollen, die die beiden Darsteller oft in eiligen Umzügen und mit veränderter Stimmlage, anderem Dialekt, angeklebten Bärten oder passgenauen Requisiten zum Leben erwecken, werden für die Erzählung der Rahmenhandlung oberflächlicher, aber ebenso perfekt in Szene gesetzt.

Daniel Prandl ersetzt Orchester

Auch musikalisch ist dieser Abend sehr gelungen, denn die Chansons und Walzer wie »Warum soll eine Frau kein Verhältnis haben?« oder »Jede Frau hat irgendeine Sehnsucht« werden von den beiden Schauspielern und Musicalsängern in unterschiedlichsten Stimmlagen hinreißend präsentiert. Daniel Prandl ersetzt am Flügel gleich ein ganzes Orchester und ist somit mehr als ein bloßer Begleiter der Sänger, denn er weiß, wie man dem Flügel die verschiedensten musikalischen Farben entlockt.

Das Publikum dankte für diesen besonderen Abend mit Standing Ovations und wurde mit mehreren Zugaben belohnt.

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