Süßkirschen und Langfinger: Erfahrungen aus Ockstadt

Mit dem Einsatz von Detektiven und Kontrollgängen wehren sich Obstanbauer gegen Dienbstahl. Manchmal kann das gefährlich werden, wie die Ockstädterin Christine Dönges zu berichten weiß.
Eine gute Kirschensaison hat für Produzenten in den hessischen Anbaugebieten auch ihre Schattenseiten. Wenn die Bäume voll hängen mit den roten und süß-saftigen Früchten, lockt das immer wieder auch Obstdiebe an, die sich manchmal im großen Stil bedienen. In diesem Sommer gab es weniger zu holen, deshalb dürften auch die Fallzahlen etwas zurückgegangen sein, heißt es bei Produzenten aus Ockstadt und aus dem nordhessischen Witzenhausen. Doch Grund für Entwarnung sehen sie nicht - und wappnen sich teils auch mit dem Einsatz von Privatdetektiven gegen das kriminelle Treiben.
Zur Sicherheit den Hund dabei
Besonders geplagt waren die Ockstädter Kirschenanbauer zuletzt in den Jahren 2020 und 2021, berichtet Christine Dönges vom Obst- und Gartenbauverein. Alleine in einer Nacht seien damals einem Kollegen rund 100 Bäume leer geräumt worden.
Auch bei Dönges selbst schlugen Diebe zu, plünderten 35 junge Kirschbäume und zerschnitten noch einen Zaun - was sie entdeckte, als sie am nächsten Morgen selbst zum Ernten kam. Schon seit 2016 habe während der Saison jeweils ein Detektiv die Bäume im Blick, 2021 habe man sogar zwei beschäftigt, sagt Christine Dönges.
Wen sie beim Diebstahl stellen, den dürfen die Detektive vor Ort abkassieren: Pro Person würden 100 Euro fällig sowie 9 Euro je Kilo Kirschen. Wie viel gestohlen wird, variiert nach den Worten von Dönges stark: Manche Diebe blieben bei unter einem Kilo, andere hätten auch mal 20 Kilo Kirschen bei sich.
Sorgen bereitet ihr die Aggressivität mancher Diebe. Sie und ihre Kollegen seien auch schon angegangen worden von Menschengruppen, sagt sie. »Mein Sohn ist mal von einem Dieb auf die Motorhaube genommen worden.« Wenn sie selbst an ihren Bäumen nach dem Rechten sehe, nehme sie deshalb immer ihren Hund mit, um sich sicherer zu fühlen.
Auch andere Obstsorten betroffen
Aber auch der finanzielle Schaden sei durchaus nennenswert. Bei einem Straßenverkaufspreis in Höhe von neun Euro je Kilo Kirschen könnten je leer gepflücktem Baum einige Hundert Euro Schaden zusammenkommen - und das vor dem Hintergrund, dass der Anbau arbeits- und kostenintensiv sei.
Nicht nur in der Kirschensaison wird viel geplündert - auch die Zeit der Apfelernte lockt regelmäßig Diebe an, wie Andreas Klein, Vorsitzender des Hessischen Landesverbands für Erwerbobstbau, erklärt. »Äpfel sind beliebt und können auch schnell in größeren Mengen geerntet werden.« Das Problem spürt Klein auch auf seinem eigenen Hof: Dort seien vor allem die Äpfel an den nah an der Umzäunung gelegenen Bäumen stark dezimiert. Über die Saison hinweg seien es schnell mal 500 Kilo, die gestohlen würden. Auch auf seinem Erdbeerfeld habe es in diesem Jahr einige nächtliche Vorfälle gegeben. Zweimal hätten Mitarbeiter mehrere Personen vertreiben können, die gerade anfangen wollten, zu pflücken.
Welche Rolle spielen Lebensmittelpreise?
Insgesamt gebe es in diesem Jahr bisher aber weniger Vorfälle von Obstdiebstahl als in der Vergangenheit, wie Eberhard Walther vom Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen (LLH) sagt. Von den Obstbauern in Nordhessen wisse er, dass sie selbst besser aufpassen und sich untereinander Bescheid geben, wenn ihnen etwas auffällt. Zum anderen könne es auch an dem geringeren Ertrag an dem Bäumen liegen. »Wenn potenzielle Diebe sehen, dass von vornherein wenig am Baum hängt, lohnt es sich für sie nicht.« Ähnlich wie die Kirschbäume, tragen laut Walther in diesem Jahr auch Apfel- und Pflaumenbäume weniger als sonst.
Der Hessische Bauernverband stellt sich trotzdem tendenziell auf eine Zunahme der Diebstähle ein - was auch im Zusammenhang mit den inflationsbedingt gestiegenen Lebensmittelpreisen stehen dürfte, erklärte ein Verbandssprecher. Betroffen seien neben Obst- auch Gemüsekulturen im freien Feld und auf Plantagen - von Spargel über Kartoffeln bis zu Kürbissen. Bei den Tätern gebe es eine große Bandbreite - »vom Einzeltäter ohne Schuldbewusstsein und Wissen, dass er gerade stiehlt, bis hin zur organisierten Kriminalität, der ein hohes Maß an Skrupellosigkeit vorzuwerfen ist«. Auch immer mehr Hofläden seien von Diebstählen betroffen.
VON CHRISTINE SCHULTZE UND LISA ROBBERS (DPA)