Über Umwege zum Pfarrer

Seit Mai ist Kai Hüsemann der Pfarrer in Friedberg. Sein Beruf sei für ihn gleichzeitig eine Berufung, sagt er. Nun möchte er die Weihnachtspredigt nutzen, um einen Neuanfang einzuläuten.
Mit einem breiten Lächeln öffnet Kai Hüsemann die Tür zum Katholischen Pfarrbüro in Friedberg. Der neue Frie dberger Pfarrer ist ein großer Mann. Seine Präsenz deutlich spürbar. Er trägt eine schwarze Jeans und einen dunklen Pullover - darunter ein graues Hemd. Am Handgelenk ist eine Smartwatch zu sehen. Ein Look, der in jedem Büro wiederzufinden ist. Hüsemann bietet zum Gespräch einen Früchtetee an. »Den mag ja jeder, und der tut jedem gut«, sagt der 54-Jährige.
Im Sauerland groß geworden
Jedem gut tun möchte der neue Pfarrer auch mit seiner Arbeit in der Friedberger Glaubensgemeinschaft. »Ich liebe die Wetterau und die Menschen, die hier leben«, sagt Hüsemann. Und das, obwohl er ursprünglich aus Westfalen stammt. »Ich bin im Sauerland groß geworden und in einem konfessionell gemischten Elternhaus aufgewachsen«, sagt der Pfarrer. Sein Vater Katholik - die Mutter Protestantin. Hüsemanns Eltern taufen ihren Sohn katholisch. Trotzdem: »In der Erziehung haben sie mir keine Richtung vorgegeben. Sie waren nicht besonders fromm. Ich habe mich von Anfang an in aller Freiheit mit der Religion beschäftigt«, sagt der Pfarrer und sieht dies als großen Vorteil an. Niemand habe vorgeschrieben, was der junge Hüsemann glauben müsse. Trotzdem scheint der Gedanke einer geistlichen Laufbahn schon früh vorgezeichnet gewesen zu sein. »Meine Mutter sagt immer: Auf die Frage, was ich einmal werden wolle, hätte ich geantwortet: Papst!« Mit seiner tiefen Stimme erzählt er stets mit einem Lächeln auf den Lippen - es wird deutlich: Hüsemann erzählt gerne aus seinem Leben.
Nach einiger Zeit kam er zurück ins Priesterseminar
Der Plauderton ändert sich, als er über seine Studienzeit spricht. Er fokussiert mit seinen Augen einen Punkt im Raum. Seine Antworten sind stringent. Präzise. Sie müssen es aber auch sein, schließlich macht Hüsemann in dieser Zeit viele Umschwünge durch und steht zwischen zwei Welten: der geistlichen und der bürgerlichen. Zunächst beginnt er in Mainz ein Lehramtsstudium mit den Fächern Religionskunde, Deutsch und Geschichte. Durch das Studium kommt Hüsemann in Kontakt mit Kommilitonen aus dem Priesterseminar. »Ich habe zum ersten Mal Menschen in meinem Alter getroffen, denen der Glaube wichtig ist«, sagt der 54-Jährige und fügt hinzu: »Nach den Kinderträumen habe ich mir ernste Gedanken gemacht, ob dieser Weg nicht auch etwas für mich ist.« Er bricht sein Lehramtsstudium ab und tritt dem Priesterseminar bei, um Diplom-Theologie zu studieren.
Nach zwei Jahren muss Hüsemann das Freisemester antreten. Priesteramtskandidaten gehen an einen anderen Studienort, um »das Leben eines Studenten außerhalb des Klosters kennenzulernen«, beschreibt er. Das Freisemester bringt den damals 24-Jährigen nach Münster. Dort verliebt er sich. Er tritt aus dem Priesterseminar aus und beginnt ein Jurastudium in Frankfurt. Er schließt es ab und arbeitet für ein Jahr in der Branche. Doch: »Ich habe im Referendariat festgestellt, dass mir die Glaubensdimension in der Arbeit fehlt« ,sagt der Pfarrer. Er tritt wieder dem Priesterseminar bei. Laut Hüsemann läuft sein Weg dann normal ab: erst die Weihe zum Diakon, dann zum Priester. Seine Stationen als Kaplan durchläuft er in Bad Nauheim und Dietzenbach. Die letzten elf Jahre verbringt er als Pfarrer in Darmstadt.
Weihnachtspredigt als Neustart
Die Übernahme der Friedberger Pfarrstelle und die Leitung des Pastoralraums Wetterau-Mitte fühle sich für den 54-Jährigen wie »eine Rückkehr in die Heimat« an. Der Pfarrer steht vor einer großen Aufgabe: Die erste Weihnachtspredigt für seine neue Glaubensgemeinschaft steht bevor. Neben dem naheliegenden Thema, dem Frieden auf Erden im Kontext mit dem Krieg in der Ukraine, sehe er noch einen Schwerpunkt - den Neuanfang. »An Weihnachten feiern wir nicht nur die Menschwerdung Gottes, sondern zunächst die Geschichte einer Geburt. Mit der Geburt eines Menschen wird alles neu«, sagt der Pfarrer. Er hoffe, dass seine Weihnachtspredigt bei vielen einen Neustart auslöse. »Ich will den Gottesdienst immer so feiern, dass deutlich wird, dass es im Moment nicht schöneres für mich gibt«, sagt Hüsemann. Mehr wolle er nicht verraten: »Wer wissen will, was ich an Weihnachten predige, muss einfach zum Gottesdienst kommen.«