»Unsere Schulen laufen unter Volllast«
Wetteraukreis (pm). Viele Lehrkräfte gehen mit großen Sorgen in das kommende Schuljahr. »Sie befürchten, der Arbeitsbelastung nicht mehr gewachsen zu sein«, teilen die Wetterauer Kreisverbände der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) mit. Das zeigten Rückmeldungen aus der Schulpraxis.
Die Lehrkräfte ächzten unter den gestiegenen Belastungen. Immer mehr Aufgaben seien an die Schulen übertragen worden: die Umsetzung der Inklusion, des Ganztags, der Integration der Intensivschülerinnen und -schüler, die Umsetzung der Digitalisierung und ein allgemein gestiegener Beratungsbedarf, zu dem auch eine massiv erhöhte Beziehungsarbeit mit den Lernenden gehöre. »Zeit, diese Neuerungen durch pädagogische Konzepte vor Ort umzusetzen, wurde den Schulen nicht eingeräumt«, heißt es in einer Pressemitteilung der GEW-Kreisverbände Büdingen und Friedberg. Dass sich das Berufsbild komplett verändert habe und viel mehr Zeit für unterrichtsfremde Tätigkeiten verwendet werden müsse, finde keine Berücksichtigung. Die Pflichtstundenzahl sei gleichgeblieben. Das habe Konsequenzen: »Sehr viele Lehrkräfte schaffen ihr Pensum bei voller Stelle nicht und versuchen, ihre Stelle zu reduzieren, um ihre Aufgaben gut erledigen zu können.« Viele hätten das Gefühl der Erschöpfung und fielen phasenweise oder dauerhaft aus, was den Lehrkräftemangel erhöhe. »Unsere Schulen laufen unter Volllast. Wir sehen die Gefahr, dass Systeme zusammenbrechen und noch mehr Arbeit auf den Schultern der verbliebenen Kolleginnen und Kollegen verteilt wird«, erklären Veronika Feuerbach, Heidi Wallenfels und Anika Wagner als Vorsitzende im Team des GEW-Kreisverbands Büdingen. Die Lösung: Lehrkräfte sollen Zeit für mehr Zeit haben. Gabriele Hartmann, Indira Trauschold und Peter Zeichner als Vorsitzende im Team des GEW-Kreisverbands Friedberg fordern, dass gemäß den Vorgaben des EU-Rechts erfasst werden sollte, wie viel Lehrkräfte tatsächlich arbeiten und auf dieser Grundlage eine Reduzierung der Arbeitsbelastung erfolgt.
Berufswechsel nach Staatsprüfung
Die Arbeitsbedingungen an den Schulen seien so schlecht, dass junge Lehrkräfte dem Land Hessen den Rücken kehrten. »In der Praxis kommt es immer häufiger vor, dass Lehrkräfte nach erfolgreicher zweiter Staatsprüfung keine Planstelle annehmen und überlegen, in anderen Bereichen zu arbeiten«, so die GEW-Verantwortlichen. Hessen verliere immer häufiger in der Konkurrenz um Fachkräfte. »Die Bedingungen in den Schulen müssen dringend so verbessert werden, dass junge Lehrkräfte in den Schuldienst eintreten und nicht an andere Unternehmen verloren gehen. Sonst verschärft sich der Lehrermangel weiter.«
Auch die schleppende Umsetzung der Digitalisierung an Schulen kritisiert die GEW. Digitalisierung scheitere oft an nicht oder nicht ausreichend vorhandener Ausstattung, oder fehlendem konstanten Internetzugang. »Die mit dem IT-Bereich beauftragten Lehrkräfte der Schulen arbeiten viele Stunden zusätzlich an der technischen Umsetzung neuer digitaler Zugänge und übernehmen damit Aufgaben, die Mitarbeitende des Kreises erledigen müssen.« Der Wet- teraukreis als Schulträger investiere zwar in die technische Ausstattung der Schulen und biete technischen Support, doch bleibe die Ausstattung in vielen Bereichen »hinter dem Mindestmaß modernen Unterrichts« zurück. Darüber hinaus dürfe der technische Support insbesondere bei digitaler Hardware keine Arbeitsressourcen von Lehrkräften für den Unterrichts »vergeuden«.
Weitere Probleme im Rahmen der Digitalisierung bestehen nach Ansicht der GEW darin, dass auf unterschiedlichen Onlineformaten gearbeitet wird und Lehrkräfte häufig mehr als eine dienstliche E-Mail-Adresse haben. Die Einführung des Schulfachs »Digitale Welt« erfordere ebenfalls Mehrarbeit.
Als Fazit zieht die Wetterauer GEW, dass die Schulen nicht gut aufgestellt sind. Die Landesregierung wird aufgefordert, Verantwortung zu übernehmen und die Situation durch eine aktive Politik zu verbessern. »Gute Bildung und gleiche Chancen für alle Schülerinnen und Schüler sind nur dann möglich, wenn die Schulen gut ausgestattet sind und das Personal über ausreichend Zeit und Kapazitäten verfügt, ihre wichtigen Aufgaben zu erfüllen.«