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Der wacklige Untergrund von Friedberg: „Das müssen sie sich ansehen“

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Von: Jürgen Wagner

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Blick in den Untergrund der Friedberger Altstadt: 70 Treppenstufen unter der Fasshalle öffnet sich ein Labyrinth aus Gängen und Kellerräumen, in denen die Brauerei Windecker einst ihre Bierfässer gelagert hat. Doch die Wände sind brüchig, Nässe dringt ein. Eine Gefahr für die Altstadtbewohner? © Nicole Merz

Unter der Altstadt von Friedberg gibt es tiefe Keller. Für die Bewohner könnten diese eine Gefahr sein.

Friedberg – Die tiefsten Keller der Friedberger Altstadt liegen 15 Meter unter der Fasshalle. Nur wenige lebende Menschen waren je dort unten, nur einer hat den Schlüssel. Und eine vage Befürchtung. „Das müssen Sie sich ansehen“, sagt Georg Reuss. „Sowas haben Sie noch nicht gesehen.“ Es geht um die Eiskeller in der östlichen Altstadt von Friedberg, mehrere Meter unter der denkmalgeschützten Fasshalle gelegen. Was nach einer architektonischen Sensation klingt (und auch ist), entpuppt sich als ein Gang in eine unterirdische Ruine. Die Minen von Moria - „Herr der Ringe“-Fans werden sich erinnern - wirkten weitaus standfester.

„Vorsicht. Jetzt wird’s steil.“ Reuss geht die Treppenstufen voran. Auf der ersten Ebene liegen mehrere Keller, in einem Raum mit Kreuzgradgewölbe lagert Wein in Kisten, zwei schmale Fensterschlitze geben den Blick auf die Seewiese frei. „Wir stehen unter der Hospitalgasse 36.“ Das zu wissen ist wichtig, man verliert hier unten schnell die Orientierung. Überall Gänge und Räume mit gewölbten Decken. In einem hängt eine Schießscheibe für Sportgewehrschützen, in einem anderen hat sich an der Decke ein großer, fächerartiger Pilz gebildet. Er nährt sich von einem Holzbalken, der von oben Feuchtigkeit aufnimmt.

Friedberg: Eine zugemauerte Tür als „Vorspiel“

„Das ist nur das Vorspiel“, sagt Reuss und deutet auf eine zugemauerte Tür. Dahinter befindet sich ein Aufzugsschacht, der von der Fasshalle in die Tiefe führt; den Aufzug gibt es lange nicht mehr. „Die nächste Treppe ist richtig steil.“ Es wird dunkel und feucht. Von den Wänden tropft Wasser, die Elektrizität ist auf der zweiten und dritten Tiefebene ausgeschaltet. Reuss knipst seine Stirnlampe an, ihm folgen Fotografin Nici Merz, der Reporter und Stadtbauamtsleiter Tobias Brandt, der diese Seite Friedbergs noch nicht kennt.

Gummistiefel sind von Vorteil, der Boden ist nass und matschig. Taschenlampenlicht zeigt das Ausmaß der Zerstörung in Friedbergs tiefstem Keller. An zahlreichen Stellen sind Wände ausgebeult. Sie geben Druck nach, haben sich verschoben. Bodenplatten haben sich angehoben, ragen mehrere Zentimeter hoch. Die Wände sind feucht. Wandanker sind verrostet; einer hat sich gelöst. Mehrere Gände enden in einem Schutthaufen. Was sich dahinter verbirgt? „Ich weiß es nicht“, sagt Reuss. Woher auch, ihm gehören die Keller ja nicht.

Fasshallenbrand in Friedberg: Eingedrungenes Wasser und ein gelbes Quietscheentchen

Lüftungsschächte in den Decken wurden zweckentfremdet, um Bauschutt und Haushaltsabfälle zu entsorgen. Zwischen leeren Getränkekisten, Waschmittelflaschen und Wackersteinen sitzt ein gelbes Quietscheentchen auf dem Schutt. Daneben Autoreifen, Coladosen, eine verrostete Tür.

Im August 2012 brannte die Fasshalle. Es war Brandstiftung, ein junger Mann wurde festgenommen, die Tat konnte ihm aber nicht nachgewiesen werden. Reuss ist sich sicher: Viele der Zerstörungen im Eiskeller gehen auf den Brand zurück. Wasser und Löschschaum drangen ein, der Löschschaum lief durch die Keller bis auf die Seewiese. Was Reuss wundert: Die Eigentümer meldeten keinen Versicherungsschaden an.

Ein Loch tat sich auf in Friedberg: Baufälligkeit seit 2021 bekannt

Das Gleiche wiederholte sich im Januar 2020, als sich in der Badgasse, an der Stirnseite der Fasshalle, ein Loch im Boden auftat. Die Stadt verfüllte das Loch, obgleich es, wie Reuss anhand eines Plans zeigt, auf Privatgelände lag. Die halbe Badgasse ist an dieser Stelle Privatgrund, ohne dass dies ersichtlich ist. Der Schutt und die Steine, die 2020 in die Tiefe gerissen wurden, sind im Eiskeller zu besichtigen.

Nach dem Brand 2012 besichtigte die Feuerwehr den Eiskeller. Dem Kreisbauamt ist die Baufälligkeit seit einer Begehung im Mai 2021 bekannt. Auch wenn, wie Reuss erzählt, im Kreishaus offenbar eine Akte verloren ging. Warum der Keller nicht längst saniert wurde, weiß Reuss nicht. Er habe die Eigentümerin über den desolaten Zustand informiert; für die WZ war sie nicht erreichbar.

Anhörungstermin beim Kreisbauamt in Friedberg: Hunderte Menschen in Gefahr?

Nicht auszudenken, was passiert, sollten die Ziegelsteinwände nachgeben und einstürzen. In den engen Altstadtgassen rund um die Fasshalle leben mehrere hundert Menschen. Ein Mehrfamilienhaus dort steht auf einer Betonplatte. Wie sicher ist die, wenn unter ihr alles einstürzt?

Im Juni erhielt Reuss ein Schreiben des Wetteraukreises. Anlass: die „Standsicherheit der Gewölbekeller“. Es wird befürchtet, dass sich „die festgestellten Mängel vergrößern“. Reuss ist als „Miteigentümer“ zu einer Anhörung geladen. „Die Eiskeller gehören mir aber gar nicht.“ Sie liegen auch nicht unter seinem Grundstück, sondern direkt unter der Fasshalle. Der Kreis fordert ein Statik-Gutachten, das dürfte einen sechsstelligen Betrag kosten. Müssen die Keller saniert werden, kommt locker eine weitere Null hinzu. (Jürgen Wagner)

Behörden und Anwohner in Friedberg beschäftigt derzeit die Frage ob es mehr Parkplätze in der Kaiserstraße geben soll.

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