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»Vögel des Himmels, preiset den Herrn«

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Gute Nachbarschaft: Der Bad Nauheimer Stadtkantor Frank Scheffler hat ein Konzert in der Friedberger Stadtkirche gegeben. © Gerhard Kollmer

Friedberg (gk). Ein großer Orgelmusikabend in der Stadtkirche in Friedberg endete am Sonntag mit lang anhaltendem Applaus für den seit fast einem Vierteljahrhundert als Stadtkantor Bad Nauheims und als Organist an der dortigen Dankeskirche wirkenden Frank Scheffler.

In den vorangegangenen 90 Minuten hatte er das zahlreich erschienene Publikum mit der meisterhaften Darbietung von drei bedeutenden Werken der französischen Orgelschule tief beeindruckt.

Als Einstimmung interpretierte Scheffler ein Werk des 23-jährigen Johann Sebastian Bach aus dem Jahr 1708: dessen Toccata, Adagio und Fuge C-Dur, BWV 564. Der junge Tonsetzer schuf damit ein ungewöhnliches Werk, das zwischen einleitender Toccata und der abschließenden Fuge noch einen langsamen Satz beinhaltet.

Mit virtuosen Manualläufen, die dreimal abrupt durch einen tiefen Pedalton gestoppt werden, beginnt das Präludium. Dann setzt ein virtuoses Pedalsolo ein. Spätestens nach ein, zwei Minuten wird der Hörer oder die Hörerin förmlich hineingerissen in dieses kontrastreiche Frühwerk des Meisters. Schefflers zupackendes Spiel trifft den »Zauberton« der Toccata punktgenau. Das langsame Adagio mit fast meditativem Charakter evoziert einen eher melancholischen Eindruck. Die Schlussfuge beginnt fast tänzerisch leicht und endet abrupt nach einer virtuosen Kadenz.

Und dann Olivier Messiaen (1908-1992) mit seiner »Messe de la Pentecote«/Pfingstmesse aus dem Jahr 1950! Dieses fünfsätzige liturgische Werk stellt eine Zäsur im Werk des Komponisten dar. Frank Scheffler hatte den vierten Satz (»Communion«) dieses Meisterwerks für seine Darbietung ausgewählt. Er trägt den Untertitel: »Les oiseaux et les sources«/Die Vögel und die Quellen.

Ungewöhnliche Töne

Nach einer längeren schöpferischen Pause hatte Messiaen begonnen, Tonband-Aufzeichnungen von Vogelstimmen zu machen und diese in Noten umzusetzen. In seiner zweiten Lebenshälfte wird dann der »Chant des oiseaux« zu d e r Inspirationsquelle des Meisters. Der lautmalerische Beginn des vierten Satzes entführt in ein exotisches Reich ungewöhnlicher Klänge.

Scheffler »meißelt« jedes kleinste Detail, jede rhythmische Besonderheit präzise heraus. Da Vögel sich nicht an die Gesetze der Harmonik halten, überschreitet auch Messiaen mehrmals die Grenzen der Tonalität.

César Franck, der 1822 geborene Mitbegründer der Französischen Orgelschule, vollendet seine »Trois Chorals«/drei Choräle in seinem Todesjahr 1890.

Sie gelten als Höhepunkt seines Orgelschaffens. »Choral« ist hier keine Vertonung eines Kirchenlieds (wie zum Beispiel bei Bach), sondern frei erfundene Instrumentalmusik, die jedoch an geistliche Gesänge erinnert. Für den einleitenden, weit ausgreifenden E-Dur-Choral ist der gewaltige Innenraum der Friedberger Stadtkirche mit seiner grandiosen Akustik wie geschaffen. Einem immer breiter werdenden Fluss gleich, schwellen Francks Klangmassen ständig an, bis alles in einem hymnisch-apotheotischen Schluss kulminiert. Nur die kongeniale Interpretation dieses »zerklüfteten« Chorals durch einen Interpreten, der wie Frank Scheffler selbst kleinste Nuancen aufspürt und die sich auftürmenden Klangmassen klar strukturiert, kann diesem Meisterwerk gerecht werden.

Gleiches gilt für Maurice Duruflés (1902 bis 86) 1933 vollendete dreisätzige Suite für Orgel op. 5, die nach der Pause erklang. Das Werk des in der Normandie geborenen Tonsetzers umfasst nur 14 mit Opuszahl versehene Titel, die er immer wieder überarbeitete - so auch die Suite op. 5.

Die zweite Hälfte des Präludiums ist ein langes, das Eingangsthema virtuos variierendes Rezitativ, dem eine an Ravel erinnernde kontrastreiche »Sicilienne« folgt. Die abschließende Toccata, in der das Pedal wieder voll zum Einsatz kommt, verknüpft die vorher gespannten Fäden kunstvoll und klingt ähnlich majestätisch aus wie César Francks Choral.

Frank Schefflers Präsentation dreier Titanen der französischen Orgelmusik auf höchstem Niveau wird als ein großes Musikerlebnis lange nachklingen.

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