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Von Bach über Mozart bis zu Vierne

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Von: Gerhard Kollmer

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Frank Scheffler brilliert mit einem meisterhaften Konzert an der Stadtkirchenorgel. © Gerhard Kollmer

Friedberg (gk). Sonntagabend in der Stadtkirche: Wohl kaum jemand der gut 50 Besucher ahnt, dass Frank Schefflers anderthalbstündiges Benefizkonzert - Erlös 1000 Euro - an der restaurierten Orgel zu einem Klangerlebnis der Extraklasse werden wird. Mit minutenlangem Schlussapplaus wurde der Bad Nauheimer Stadtkantor für seine Interpretation von fünf Hauptwerken der von Charles-Marie Widor (1844-1937) begründeten französischen Orgelschule gefeiert.

Doch vor dem Ausflug ins westliche Nachbarland erklangen Johann Sebastian Bachs in den Jahren um 1720 entstandene Toccata und Fuge F-Dur, BWV 540. Auf einen Eingangskanon folgt ein langes Pedalsolo. Es ist das erste von mehreren, was dieser Toccata ihr besonderes, einmaliges Gepräge verleiht. Scheffler meistert diese bis zu 60 Takte langen Soli mühelos. Die um einige Jahre später entstandene (Doppel-)Fuge kontrastierte rhythmisch und thematisch stark mit der virtuosen Toccata. Wolfgang Amadeus Mozarts in dessen letztem Lebensjahr entstandenes heiteres Andante F-Dur, KV 616 für eine Orgelwalze (zum Einbau in eine sogenannte »Flötenuhr« im Wiener Wachsfigurenkabinett) bildete einen reizvollen Kontrast zu Bachs virtuoser Toccata. Nicht von ungefähr erinnert das kleine Werk, mit dem Mozart der Vorliebe seiner Zeitgenossen für mechanische Spieluhren entgegenkam, an Papagenos Zauberflöte in der berühmten gleichnamigen, im selben Jahr 1791 vollendeten Oper.

Marcel Duprés (1886-1971) sich anschließende »Cortège et Litanie«, op. 19/2 entführten das Auditorium in eine gänzlich andere Klangwelt - die der französischen Orgelromantik. Auf einen introvertierten Beginn mit wie von fern herüber klingenden Melodien folgte ein plötzlicher, die Atonalität streifender atemberaubender Ausbruch.

Über den Wahnsinn des Krieges

Scheffler, der neben anderen Auslandsauftritten auch an der berühmten Cavaillé-Coll-Orgel von Saint-Sulpice in Paris konzertiert hat, zeichnet sich nicht zuletzt aufgrund seiner Kenntnis dieser und anderer bedeutender Orgeln in Frankreichs Hauptstadt durch sein Sensorium für die suggestive Klangwelt der spätromantischen französischen Orgelliteratur aus. Die restaurierte Friedberger Stadtkirchenorgel ermöglicht zudem eine authentische Wiedergabe dieser Werke.

Ein Highlight vor der Pause war Maurice Duruflés (1902- 1986) »Prélude et Fugue sur le nom d’Alain«, op. 7 aus dem Kriegsjahr 1942. Das Werk des ab 1929 an St.-Etienne-du-Mont in Paris wirkenden Tonsetzers ist eine ergreifende Hommage an seinen Freund und Kollegen Jean Alain, der kurz nach dem Einmarsch der Wehrmacht in Frankreich 1940 auf dem Schlachtfeld starb. Die kontrastreiche, spannungsgeladene Doppelfuge stellt höchste Anforderungen an den Interpreten, denen Frank Scheffler mit seinem präzisen, punktgenauen Spiel voll gerecht wurde. In keinem Augenblick verschwammen bei ihm die Klangmassen zu einem diffusen »Klangbrei«. Das Werk endete mit einem Finale, das sowohl den Wahnsinn des Krieges, als auch die Trauer um den gefallenen Freund bewegend Klang werden ließ.

Nach wohlverdienter Pause erklangen Allegro, Cantabile und Finale aus Charles-Marie Widors weit ausgreifender, anlässlich der Pariser Weltausstellung 1878 im Palais du Trocadéro uraufgeführten sechsten Orgelsinfonie in g-Moll, op. 42, 2. Unüberhörbar klingt in diesem Werk der Bayreuthbesuch Widors anlässlich der Einweihung des dortigen Festspielhauses im Jahr 1876 nach - vor allem im Finale, das in einer unüberbietbaren »Klangexplosion« kulminiert. Schefflers denkwürdiges Konzert endete mit dem lautmalerischen »Carillon de Westminster« von Louis Vierne. FOTO: KOLLMER

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