Von wegen »angestaubt«: Frauen auf der Höhe ihrer Zeit

Der Landfrauen-Bezirksverein Friedberg feiert 75-jähriges Bestehen. Die Mitglieder sind heute moderne Frauen aus allen Berufen, die gerne im ländlichen Raum leben.
Es lohnt sich, einen Blick ins Jahr 1898 zu werfen, zur Gründung des »Landwirtschaftlichen Hausfrauenvereins« durch die ostpreußische Gutsfrau Elisabeth Boehm. Sie setzte sich, beseelt von Idealismus und geleitet von sozialem Denken, für die Förderung der oft unterdrückten Bäuerinnen ein. Mit der Frauenbewegung in Politik und Bildung einhergehend, wehrte sie sich dagegen, dass die Frau ohne Ausbildung blieb und eine Doppelrolle in der Familie und auf dem Hof ohne jegliche Anerkennung ausfüllen sollte.
Aus dem kleinen Verein in ihrer Heimatstadt Rastenburg, anfänglich »Gluckenverein« genannt, wurde bald die deutsche Landfrauenorganisation. Boehm initiierte auch die ersten Verkaufsstellen für landwirtschaftliche Erzeugnisse. 1923 übernahm sie das neu gegründete Frauenreferat in der Landwirtschaftskammer Ostpreußen. In die Fußstapfen dieser patenten Frau traten bereits 1927 die 28 Gründungsmitglieder des »Ländlichen Hausfrauenvereins« mit den Ortsverbänden Friedberg, Klein-Karben, Reichelsheim, Okarben und Nieder-Wöllstadt. 1934 wurden alle Vereine durch die Nationalsozialisten aufgelöst.
Der Neubeginn war am 2. April 1948, also vor 75 Jahren, als »BezirksLandFrauenverein Friedberg«. Jetzt gehören ihm 22 unterschiedlich starke Ortsvereine an. »Ausgetreten ist niemand, die Alten sind uns weggestorben und junge Frauen zu gewinnen, ist nicht einfach«, sagt die stellvertretende Vorsitzende Doris Hartmann-Geck aus langer Erfahrung. Geschäftsführerin Sigrid Reiter-Duda kennt den Verein aus ihrer Kindheit, weil schon die Mutter dabei war. Bezirksvorsitzende Bettina Bonarius ist mit Leib und Seele Frau auf dem Land und im Verein.
Früher habe man sich in der Landwirtschaftsschule in Friedberg getroffen, berichtet Hartmann-Geck. Ein Ort mit Internat, der Erinnerungen an die Fortbildung zur »Ländlichen Hauswirtschafterin« in ihr weckt. »Nach drei Jahren Ausbildung zur Gehilfin konnte man diese halbjährige Fortbildung machen. Da lernten wir Tierhaltung, Gartenbau, Säuglings- und Wäschepflege und später auch Buchhaltung.« Sie blieb auf dem Hof, der inzwischen als Ausbildungsbetrieb anerkannt ist und den sie als »Grünes Klassenzimmer« zur Verfügung stellt.
Der Umgang mit dem Bügelbrett
In den Fünfzigern war es der wachsende Bürokratismus, der Wandel im Haushalt, aber auch der Wunsch nach Gemeinschaft und Austausch, der Frauen in die Vereine führte. Viel früher als die Stadtfrauen hätten sie dort den Umgang mit Kühlschrank und Bügelmaschine und bei der Ovag Kochen mit elektrischem Strom gelernt, bestätigen die drei. Sie erfuhren die Geheimnisse des Einkochens und die Vorzüge von Zaubertüchern. Der Satzungszweck »Bildung der Frauen im ländlichen Raum« war zunächst ganz praktischer Art. Mit der Zeit veränderte sich die Landwirtschaft, was den Vereinen aber keinen Abbruch tat. Sie passten sich mit ihrem Bildungsangebot an. In den Achtzigern pflegte man Hobbys, bot Ikebana-Kurse und Sticken an. »Sehr beliebt war die Fahrt zum Weihnachtsmarkt nach Frankfurt, wo die Frauen ihren freien Tag genossen und mit vollen Taschen zurückkehrten«, weiß Reiter-Duda noch gut.
Online-Treffen während Corona
Bettina Bonarius kam 2009 zu den Landfrauen und erlebte schon die neue Phase mit Vorträgen zu Ernährung, Nachhaltigkeit, Gesundheitsvorsorge und die digitalen Angebote. »Während Corona hatten wir 40 Online-Treffen. Jede bekam eine Einkaufsliste, und dann haben wir gekocht, uns geschminkt, hatten ein Biertasting und lernten Waldbaden kennen. Die Adventsfahrten sind attraktiv und sehr beliebt. In diesem Jahr geht es für vier Tage aufs Schiff nach Holland.«
In den Ortsvereinen sind alle Berufs- und Altersgruppen vertreten. Die jüngste ist 18 Jahre. »Wir bieten ansprechende Themen für jeden. Immer interessanter werden wir für die jungen Rentnerinnen, aber auch für Zugezogene, die neue Kontakte knüpfen wollen. Man muss ja nicht jedes Mal kommen«, sagt Bonarius, die für neue Ideen immer aufgeschlossen ist.
Der Begriff Landfrau klingt angestaubt, die Vereine sind es durchaus nicht. Das wissen aber viele nicht, wie es schon beim 50-jährigen Jubiläum die damalige Präsidentin des Landesverbandes, Evelyn Moscherosch, bemängelte. Wenn es im Vortrag bei der 75. Jubiläumsfeier heißt »Landei und stolz darauf«, sollten Frauen im ländlichen Raum wohl für die Zukunft gewappnet sein.