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Vor der Abwärtsspirale?

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Matthias und Axel Winter (von links) betreiben das Landgasthaus »Zur Birke«. Bei einer Rückkehr zum ursprünglichen Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent auf Speisen sehen sie keine andere Möglichkeit, als die Preise zu erhöhen. © Stefan Weil

Unter den Gastronomen herrscht Aufregung, seitdem die Bundesregierung die Rückkehr zum Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent bei Speisen angekündigt hat. Was halten die heimischen Gastronomen von dem Vorstoß?

Deutlich macht Hubertus Schultz, Betreiber des Schlosshotels in Gedern, seinem Unmut Luft. »Frankreich, Spanien, Italien haben sieben Prozent Mehrwertsteuer auf Speisen. Warum muss Deutschland einen Alleingang machen?«, fragt der erfahrene Gastronomie-Unternehmer. Eine Rückkehr zum Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent, wie von der Bundesregierung geplant, und damit zwölf Prozent mehr im Vergleich zur Corona-Zeit könnten er und viele seiner Kollegen nicht einfach so schlucken. Schließlich seien nicht nur die Personal-, sondern auch die Energiekosten gestiegen.

Schultz befürchtet eine Abwärtsspirale. »Die Gäste werden sich zurückhalten. Um weniger Umsatz auszugleichen, muss wegen der Kosten ein zusätzlicher Tag geschlossen werden. Das bringt noch weniger Umsatz. Dann verlieren die Kollegen die Lust an ihrem Beruf und hören auf«, prognostiziert Schultz. Das habe auch Folgen für den Tourismus. »Wenn der Staat hier später wieder gegensteuert, wird das viel teurer, als es bei sieben Prozent Mehrwertsteuer zu belassen.« Die Bundesregierung verursache ein Chaos, kritisiert Schultz. »Wir wissen nicht, wie es weitergeht. Das geht so nicht. Unternehmer müssen planen können.«

Von Corona-Zeit noch nicht erholt

Dieter Kränsel, der mit seiner Frau Hannelore seit über 40 Jahren das Restaurant »Henkelsmühle« in Merkenfritz betreibt und Vorsitzender des Wetterauer Kreisverbands des Hotel- und Gastronomieverbandes DEHOGA ist, befürchtet, dass ein Restaurantbesuch zum Luxus wird. »Das können sich bald nicht mehr viele Menschen leisten«, sagt er. Angesichts der Inflation sei es jedoch kein gutes Zeichen, die Rückkehr zum ursprünglichen Mehrwertsteuersatz an die Gäste weiterzugeben. »Wir werden wohl keine Erhöhung vornehmen, um nicht als Buhmann dazustehen«, sagt Kränsel. Die Kosten blieben dann bei ihm im Betrieb. Kränsel fürchtet wie Schultz um seinen Berufsstand: »Die wenigen Gastronomiebetriebe, die wir noch haben, haben sich von der Corona-Zeit noch nicht erholt. Wenn es immer weniger Gaststätten und Restaurants gibt, geht auch eine gewisse Kultur verloren.«

Steffi Schmidt, die mit ihrem Mann Florian seit 2015 das Landhaus Knusperhäuschen in Oberau führt, reagiert gereizt bei diesem Thema. »Von einer Anhebung halten wir nichts. Wir kämpfen dagegen an«, sagt sie. Die mit einer Rückkehr zum ursprünglichen Mehrwertsteuersatz verbundenen Mehrkosten könne sie nicht an die Gäste weitergeben. Denn: »Die kommen dann nicht mehr.« Schmidt geht mit der Bundesregierung hart ins Gericht. »Diejenigen, die solche Dinge beschließen, haben oft wenig Ahnung, was bei uns in der ländlichen Region wichtig ist, um einen Familienbetrieb zu führen«, sagt sie. »Wir legen Wert auf eine authentische deutsche Küche mit qualitativ guten Produkten. Das hat auch seinen Preis. Das versteht leider nicht jeder.«

Existenzangst geht um

Alles andere als begeistert ist auch Susanne Glaum. Die Unternehmerin leitet mit ihrem Mann Oliver die Weinscheune in Echzell. »Wir müssen unsere Rechnungen bezahlen, wir müssen sehen, wo wir bleiben«, sagt sie. Gebe es wieder 19 Prozent Mehrwertsteuer auf Speisen, müsse der Familienbetrieb die Preise anpassen. »Wir sind die ganze Zeit ohne Erhöhung ausgekommen. Aber auch Lebensmittel und Energie sind teurer geworden. Das können wir nicht alles auffangen«, schildert Glaum. Nicht alle Gäste würden eine Preisanhebung akzeptieren. »Die kommen dann weniger. Vielleicht nur noch einmal im Monat«, prognostiziert die Echzeller Wirtin, die zudem noch auf ein anderes Problem und eine Folge der Corona-Zeit verweist. »Wir müssen wegen Personalmangel manchmal Gästen absagen, was wiederum weniger Umsatz bedeutet«, berichtet Glaum.

Auch Axel Winter vom Landgasthof »Zur Birke« in Burkhards sieht keine andere Möglichkeit, als eine Rückkehr zum früheren Mehrwertsteuersatz auf die Preise umzulegen. »Eine Erhöhung neben den anderen Kostensteigerungen aufzufangen, kann sich keiner leisten«, sagt der Gastronom, der den Familienbetrieb mit seinem Bruder Matthias leitet. »Schließlich laufen die Fixkosten für das Personal oder die Energie weiter.«

Im Moment habe er noch nicht festgestellt, dass die Menschen seltener essen gehen. »Wir werden es vielleicht weniger beim À-la-Carte-Geschäft merken, sicher aber bei Familienfeiern. Dann wird der Kreis der Gäste einfach kleiner.« Das bedeute auch weniger Einnahmen. Er habe bereits von vielen Kollegen mit Existenzängsten gehört. VON STEFAN WEIL

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