Was Wetterauer Geschäftsleute zum Energiesparen sagen

Die immense Verteuerung von Strom, Gas oder Erdöl erfasst auch den Einzelhandel sowie die Discounter und Supermärkte. An vielen Stellen sind bereits Sparmaßnahmen umgesetzt worden.
Der rasante Anstieg der Energiekosten wird für viele Händler zur Belastungsprobe. Reduzierte Öffnungszeiten könnten ein möglicher Beitrag zu Energieeinsparungen sein, hat der Handelsverband Hessen befunden, dessen Präsident der Bad Nauheimer Jochen Ruths ist. Zugleich ist er Mitinhaber von Modegeschäften in Friedberg und Bad Nauheim. Wie hält es der Einzelhandel in der Region?
Im Modehaus Ruths mit Stammsitz in Friedberg und Filiale in Bad Nauheim ist Energiesparen ein Thema - seit Monaten. »Wir haben schon im Sommer begonnen die Kühlungen, die zu unseren größten Energieverbrauchern zählen, einzuschränken. Das war insbesondere für unsere Mitarbeiterschaft eine Herausforderung« sagt Jochen Ruths. Ferner wurde die Nutzung des Fahrstuhls auf das Nötigste beschränkt. Die Öffnungszeiten wurden bereits im November 2020 um fast 300 Stunden im Jahr an jedem Standort gekürzt. »Das erweist sich jetzt als glückliche Fügung.«
Ein Backofen wurde stillgelegt
Verkürzte Öffnungszeiten im Lebensmitteleinzelhandel bringen für Ruths nur einen »Teilerfolg«, da die energieintensiven Kühlungen ohnehin rund um die Uhr laufen.
Nach Ansicht des Handelspräsidenten ist das Einkaufen im stationären Handel ein gutes Mittel zum Energiesparen: »Mit Blick auf die Retourenquoten im Distanzhandel, die in manchen Warengruppen deutlich über 50 Prozent liegen, kann man sich bildhaft vorstellen, welche Paketmengen letztlich sinnlos durch die Lande gefahren werden.« Für Ruths sorgt jeder digitale »Ladenbesuch« in den Rechenzentren auch zu erheblichem Stromverbrauch. »Wer ein wirkliches Einkaufserlebnis sucht, wird dies nur im örtlichen Handel finden.«
Die Bäckerei Jung in Bruchenbrücken hat im Sommer ihre Öffnungszeiten verkürzt. Der Familienbetrieb hat nun montag- und dienstagnachmittags geschlossen. »Das waren die umsatzschwächsten Stunden, und unsere Kunden haben das voll akzeptiert«, sagt Bäckermeister Martin Jung. Geblieben ist an den Werktagen die morgendliche Öffnungszeit bereits ab 5 Uhr. »Das rentiert sich tatsächlich, da haben wir nach wie vor viele Stammkunden, die auf dem Weg zur Arbeit zu uns kommen«, erläutert Jung, der an der Beleuchtung nicht viel sparen kann, dafür aber in der Backstube die Kapazitäten gebündelt hat.
Einer der drei Backöfen wurde still gelegt, Produkte, bei denen dies möglich ist, werden nun zusammen gebacken. Gebündelt wurden auch die Lieferfahrten, und Jung, dessen Eltern nach wie vor im Betrieb mitarbeiten, überlegt, ob in der Kühlung Einsparungen möglich sind. Trotzdem wird die Familie Jung demnächst die Preise anheben müssen. »Doch auch damit können wir die gestiegenen Energiekosten nicht komplett auffangen«, sagt Martin Jung.
Christine Brand von Kraft-Schuhmode in Büdingen erklärt, sie werde die täglichen Öffnungszeiten von 10 bis 18 Uhr (samstags bis 17 Uhr) beibehalten. »Wir orientieren uns an den anderen Läden in Büdingen. Es würde die Kundschaft nur verärgern, wenn die Öffnungszeiten unterschiedlich wären.« Man müsse darüber hinaus an die Mitarbeiter denken, die ihre volle Arbeitszeit ableisten wollten. »Eine Verkürzung der Öffnungszeiten funktioniert im Einzelhandel nicht«, glaubt Brand. Lebensmittelmärkte dagegen müssten nicht bis 22 Uhr geöffnet sein, findet sie. »Die Dinge für den täglichen Bedarf kann man sich schon früher am Tag kaufen.«
Maßnahmen zeigen Wirkung
»Selbstverständlich haben wir schon längst reagiert und verschiedene Dinge in die Wege geleitet, um Energie einzusparen«, sagt Brand. »Schon vor Monaten, als die Krise so noch nicht absehbar war.« Bei der Beleuchtung würden die Effektstrahler nicht mehr angeschaltet. »Unsere LED-Grundbeleuchtung macht auch schön hell«, befindet Brand. Eingespart werde auch bei der Heizung. Die Temperatur im Verkaufsraum sei auf maximal 19 Grad gedrosselt. »Dank der milden Temperaturen haben wir die Heizung meist sogar gar nicht angestellt. Das reicht noch vollkommen aus, da unser altes Fachwerkhaus gut gedämmt ist«, schildert Brand. Eine weitere Maßnahme sei ein Bewegungsschalter im Lager. »Sonst hat dort immer Licht gebrannt. Jetzt geht nur kurzzeitig die Beleuchtung an, wenn jemand einen Artikel aus dem Lager holen muss«, berichtet Brand. Die Maßnahmen zeigten Wirkung: »Ungefähr 50 Prozent der Stromkosten können wir so einsparen.« VON STEFAN WEIL UND HARALD SCHUCHARDT