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Wetterau: So geht es den Tafeln in Friedberg und Butzbach - »Können nur das geben, was wir haben«

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Sowohl die Butzbacher als auch die Friedberger Tafel haben einen Aufnahmestopp verhängt. In der Kreisstadt gibt es eine Warteliste - auf der stehen etwa 100 Kunden. ARCHIV © Nicole Merz

Ein Drittel der deutschen Tafeln musste bereits einen Aufnahmestopp einführen, weil es mehr Kunden, aber weniger Lebensmittel gibt. Die Lage in Friedberg und Butzbach ist ebenfalls angespannt.

Wenn der Krieg beendet wäre, wäre die Lage sicherlich entspannter«, sagt Peter Wiedow von der Friedberger Tafel. Seit dem Kriegsausbruch in der Ukraine Ende Februar sind mehr Kunden dazugekommen. »Garantiert um die 80 ukrainische Familien«, sagt Wiedow. »Wir sind am Ende mit unseren Lebensmittelkörben.« Aktuell herrsche Aufnahmestopp im Laden in der Kleinen Klostergasse. Das hat die Tafel bereits im Mai auf ihrer Facebook-Seite gepostet.

Vor dem Stopp konnten sich dienstags neue Klienten registrieren, es seien bis zu 30 Kunden gekommen. »Das haben wir zweimal gemacht, dann war Schluss«, erläutert Wiedow. Es seien zu 95 Prozent Ukrainer, die sich neu registrieren ließen. Zwar kämen auch Einheimische, die wegen der Inflation und steigenden Energiekosten weniger Geld in der Tasche hätten, die Mehrheit seien aber Geflüchtete.

Tafeln in der Wetterau: 100 Kunden auf Warteliste in Friedberg

»Es befinden sich gerade etwa 100 Kunden auf der Warteliste«, sagt Wiedow. Fehlen bestehende Kunden dreimal hintereinander, werden sie für ein halbes Jahr gesperrt. Erst dann, erläutert das Vorstandsmitglied, kann jemand nachrücken. Leerer werde die Warteliste dadurch aber nicht. »Jeden Montag, Mittwoch und Freitag lassen sich Leute für die Warteliste registrieren.«

Auch die Butzbacher Tafel hat seit ein paar Monaten Aufnahmestopp. Vor etwa einem Jahr hatte die Tafel - die die Stadt, alle Stadtteile, Münzenberg, Rockenberg und Langgöns versorgt - etwa 650 Kunden. Mittlerweile ist die Zahl auf 750 angewachsen, sagt Schriftführer Wolfgang Effinger. Ziel sei es jetzt, wieder auf 650 Klienten zurückzukommen. »Das ist die Zahl, die wir verkraften können.«

Tafeln in der Wetterau: »Situation hat sich für viele Menschen verschlechtert«

Eine gewisse Fluktuation gebe es immer, zum Beispiel wenn Geflüchtete wegzögen oder Hartz-IV-Bezieher einen Job fänden. Kurzzeitig hatte die Butzbacher Tafel auch eine Warteliste gehabt. Da aber keiner sagen könne, wann die Kunden nachrückten, sei diese wieder geschlossen worden. »Wir wollten ihnen nicht unnötig Hoffnung machen«, erläutert Effinger.

Die Situation hat sich für viele Menschen verschlechtert, sagt er. Die Zahl der Kunden sei sprunghaft angestiegen, als die Geflüchteten aus der Ukraine kamen. Von den 100 Kunden, die die Tafel dazubekommen hat, sei der größte Teil aus der Ukraine. »Das hat letztlich auch den Aufnahmestopp ausgelöst.« Zudem habe es einen Einbruch bei Lebensmittelspenden gegeben. Schon länger optimieren große Supermarkt-Ketten ihre Warenhaltung, sagt Effinger. Gehe man spätnachmittags oder abends durch einen Markt, seien die Regale oftmals so gut wie leer.

Tafeln in der Wetterau: Supermärkte kalkulieren anders

Die Preissteigerungen und damit verbunden eine Kaufzurückhaltung, vermutet er, haben ihr Übriges dazu beigetragen, dass Supermärkte anders kalkulierten. »Da darf man sich nicht wundern, dass am nächsten Tag weniger für die Tafeln übrig bleibt.« Deshalb seien die Tafeln im Moment in einer schwierigen Situation - in ganz Deutschland.

Die gespendete Ware für die Friedberger Tafel, gerade Obst und Gemüse, habe aus demselben Grund abgenommen. Deswegen kommt laut Wiedow von großen Ketten etwas weniger. »Trockenware gibt es sowieso nicht«, sagt Wiedow. Was daran liegt, dass Reis oder Nudeln ein längeres Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD) haben und verkauft werden können, wenn die Verpackung nicht beschädigt ist. »Im Großen und Ganzen kommen wir aber noch hin«, resümiert er.

Tafeln in der Wetterau: Trockene Ware »schon immer« ein Problem

Effinger sagt, dass der Erhalt von trockener Ware »schon immer« ein Problem gewesen sei. Das längere MHD erleichtere die Vorratsplanung für Discounter, sodass weniger übrig bleibe. Die Butzbacher Tafel habe solche Waren meist durch Privatleute oder Spenden-Aktionen - zum Beispiel die 5-Euro-Tüte von Rewe - erhalten. »Damit konnten wir unsre Notvorräte aufstocken, wenn das frische Zeug mal nicht ausgereicht hat.«

Doch nun seien die Bestände an Haltbarem fast leer. Frischware gebe es zurzeit deutlich weniger. »Aber wir kommen noch so hin«, sagt Effinger. »Wir können eben nur das geben, was wir haben. Eventuell sind die Kisten weniger gefüllt als sonst.«

Tafeln in der Wetterau: »Wir können uns insgesamt nicht beklagen«

Die Spendenbereitschaft für die Friedberger Tafel ist in etwa gleich geblieben, von privater Seite laut Wiedow sogar etwas höher. In Butzbach sei man dankbar für alle Spenden, in jüngster Zeit seien wieder mehr eingegangen. Effinger glaubt, dass das auch mit der Aufmerksamkeit der Medien zum Thema zu tun hat.

Zwar gebe es Entlastungspakete und Zuschüsse vom Bundesverband und der Tafel Hessen, jedoch müssten sich die Tafeln generell selbst finanzieren - und seien daher auf Spenden angewiesen. »Wir können uns aber insgesamt nicht beklagen«, sagt Effinger, »wir werden finanziell nicht alleingelassen.«

Info: Helfer gesucht

Der Friedberger Tafel mangelt es an Fahrern und Beifahrern für die Autos. »Da hätten wir gerne noch mehr«, sagt Peter Wiedow. Die Altersstruktur macht vielen Tafeln zu schaffen, oft sind es Rentner, die helfen. Die ältesten Ehrenamtlichen in Friedberg seien 86 Jahre alt. »Die kommen immer wieder, die können nicht anders«, sagt Wiedow und lacht (Kontakt: Tel. 0 60 31/6 84 46 24; info@friedberger-tafel.de). »Wir haben grundsätzlich immer Bedarf an Helfern«, sagt auch Wolfgang Effinger aus Butzbach (Kontakt: Tel. 0 60 33/7 48 71 77; info@tafel-butzbach.de).

Info: Statistik der Tafel Deutschland

Immer mehr Menschen in Deutschland leben in Armut. Bei den Tafeln wird ihre schwierige finanzielle Lage sichtbar: Die Zahl der Kunden hat sich aufgrund von Inflation, Pandemie und Kriegsfolgen seit Jahresbeginn um etwa die Hälfte erhöht. Damit suchen deutlich über zwei Millionen Menschen Unterstützung bei der Ehrenamtsorganisation - so viele wie nie zuvor. Aktuell verteilen beinahe alle Tafeln gespendete Lebensmittel an mehr Personen: 60,71 Prozent der Tafeln verzeichnen einen Zuwachs von bis zu 50 Prozent bei ihrer Kundschaft; 22,6 Prozent der Tafeln unterstützen bis zu doppelt so viele Menschen wie noch vor einem halben Jahr. Zu den neuen Kunden zählen vor allem Geflüchtete aus der Ukraine, aber auch Erwerbslose mit Bezug von Arbeitslosengeld I und II, Erwerbstätige mit geringem Einkommen sowie Rentner. 32 Prozent der Tafeln mussten bereits einen Aufnahmestopp einführen - viele zum ersten Mal in ihrer Geschichte. Ihnen fehlen Lebensmittel und/oder Ehrenamtliche, um allen zu helfen, die nach Unterstützung fragen. Rund 62 Prozent der Tafeln verteilen momentan kleinere Mengen, um möglichst vielen Menschen Lebensmittel mitgeben zu können.

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